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Das italienische Maedchen

Das italienische Maedchen

Titel: Das italienische Maedchen
Autoren: Lucinda Riley
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Plötzlich nahm er ihre blasse Haut und ihre zu langen Arme und Beine nicht mehr wahr, nur noch ihre riesigen braunen Augen und die leicht geröteten Wangen.
    Roberto war klar, dass er kein Schulmädchen hörte, das sein Liedchen zum Fest präsentierte. Eine solche Mühelosigkeit und natürliche Beherrschung der Stimme konnte man nicht erlernen.
    »Entschuldige mich«, flüsterte er Carlotta zu, als die Gäste applaudierten, und gesellte sich zu Rosanna, die sich gerade aus Marias begeisterter Umarmung löste.
    »Komm, setz dich zu mir, Rosanna. Ich möchte mit dir reden.« Er schob sie zu einem Stuhl, nahm ihr gegenüber Platz und ergriff ihre Hände.
    » Bravissima , meine Kleine. Das war wunderschön. Nimmst du Gesangsunterricht?«
    Rosanna schüttelte mit gesenktem Blick den Kopf.
    »Das solltest du aber. Man kann gar nicht früh genug anfangen. Wenn ich früher begonnen hätte …« Roberto zuckte mit den Achseln. »Ich werde mit deinem Papà reden. Mein früherer Gesangslehrer wohnt hier in Neapel. Er gehört zu den Besten seines Fachs. Du musst unbedingt zu ihm gehen.«
    Zum ersten Mal sah Rosanna in seine dunkelblauen Augen. »Finden Sie meine Stimme gut?«, flüsterte sie ungläubig.
    »Ja, meine Kleine, sogar besser als gut. Und durch Unterricht ließe sie sich weiterentwickeln. Dann könnte ich eines Tages voller Stolz behaupten, dich entdeckt zu haben.« Er küsste lächelnd ihre Hand.
    Rosanna strahlte.
    »Sie hat wirklich eine anrührende Stimme, nicht wahr, Roberto?«, fragte Maria, die hinter Rosanna auftauchte und ihr die Hand auf die Schulter legte.
    »Sie ist mehr als anrührend, Mamma, sie ist …«, Roberto breitete die Arme aus, »… eine Gabe Gottes wie die meine.«
    »Danke, Signor Rossini«, brachte Rosanna nur heraus.
    »Ich gehe jetzt zu deinem Papà«, sagte Roberto.
    Als Rosanna auffiel, dass einige Gäste sie mit der gleichen Bewunderung betrachteten wie sonst Carlotta, breitete sich ein warmes Gefühl in ihrem Körper aus. Zum ersten Mal im Leben hatte ihr jemand gesagt, sie sei etwas Besonderes.
    Um halb elf war das Fest noch in vollem Gange.
    »Rosanna, es wird Zeit fürs Bett«, ermahnte ihre Mutter sie. »Verabschiede dich von Maria und Massimo.«
    »Ja, Mamma.« Rosanna schlängelte sich zwischen den Tanzenden hindurch. »Gute Nacht, Maria.« Rosanna küsste sie auf beide Wangen.
    »Danke, dass du für mich gesungen hast, Rosanna. Roberto schwärmt immer noch von deiner wunderschönen Stimme.«
    »Stimmt.« Roberto gesellte sich zu ihnen. »Ich habe deinem Papà und Luca den Namen und die Adresse meines Lehrers gegeben. Bevor Luigi Vincenzi sich vor ein paar Jahren nach Neapel zurückgezogen hat, war er Gesangslehrer an der Scala. Er ist einer der Besten in Italien und nimmt nach wie vor begabte Schüler. Sag ihm, dass ich dich schicke.«
    »Danke, Roberto.« Rosanna wurde rot.
    »Rosanna, du besitzt eine ganz besondere Gabe, die du pflegen musst. Ciao , meine Kleine.« Roberto hob ihre Hand an seine Lippen und küsste sie. »Eines Tages sehen wir uns wieder, da bin ich mir sicher.«
    In dem Zimmer, das Rosanna sich mit Carlotta teilte, schlüpfte sie in ihr Nachthemd und holte ihr Tagebuch unter der Matratze und einen Bleistift aus der Unterwäscheschublade hervor, legte sich ins Bett und begann, die Stirn konzentriert gerunzelt, zu schreiben.
    » 16. August. Massimos und Marias Fest … «
    Rosanna kaute am Stift, während sie sich an die genauen Worte Robertos zu erinnern versuchte. Sie notierte sie verzückt lächelnd und schloss das Tagebuch. Dann sank sie in die Kissen zurück und lauschte auf die Musik und das Lachen von unten.
    Als sie wenige Minuten später merkte, dass sie nicht einschlafen konnte, setzte sie sich auf, schlug das Tagebuch noch einmal auf und fügte einen Satz hinzu:
    » Eines Tages werde ich Roberto Rossini heiraten. «

2
    Als Rosanna aus dem Schlaf hochschreckte, war es fast schon hell. Unten hörte sie den ratternden Müllwagen seine Morgenrunde machen, und auf dem Bett neben ihr saß Carlotta. Ihre Schwester trug nach wie vor das inzwischen ziemlich verknitterte zitronengelbe Kleid, und die Haare hingen ihr zerzaust über die Schultern.
    »Wie spät ist es?«, fragte Rosanna Carlotta.
    »Sch, Rosanna, sonst weckst du Mamma und Papà! Schlaf weiter. Es ist noch früh am Tag.« Carlotta schlüpfte aus Schuhen und Kleid.
    »Wo warst du?«
    »Nirgends.« Carlotta zuckte mit den Achseln.
    »Aber du musst doch irgendwo gewesen sein, wenn du jetzt erst
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