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Das italienische Maedchen

Das italienische Maedchen

Titel: Das italienische Maedchen
Autoren: Lucinda Riley
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er dankbar sein sollen dafür, dass er eine sicherere Zukunft vor sich hatte als die meisten anderen jungen Männer in Neapel, doch er fand nur wenig Gefallen an seiner Arbeit. Er trat an den Küchentisch, um mit tränenden Augen Zwiebeln zu hacken. Während er sie in die Bratpfanne schob, dachte er an die Weigerung seines Vaters, über Gesangsstunden für seine kleine Schwester nachzudenken. Rosanna besaß eine Gabe, und Luca würde dafür sorgen, dass sie sie nutzte.
    An seinem nächsten freien Nachmittag fuhr Luca mit Rosanna im Bus in das vornehme Hügelviertel Posillipo mit Blick auf die Bucht von Neapel.
    »Luca, wie schön! So viel Platz! Und die Luft ist so kühl!«, schwärmte Rosanna, tief ein- und ausatmend, beim Aussteigen.
    »Ja, hier ist es tatsächlich sehr schön«, pflichtete Luca ihr bei und ließ den Blick über die Bucht schweifen. Auf den glitzernden Wellen tanzten Boote, andere hatten vor dem Ufer geankert. In der Ferne lagen die Insel Capri und der Vesuv.
    »Wohnt Signor Vincenzi tatsächlich hier?« Rosanna betrachtete die eleganten weißen Villen, die sich über ihnen an den Hügel schmiegten. »Er muss schrecklich reich sein!«, bemerkte sie, als sie die kurvige Straße hinauftrotteten.
    »Ich glaube, sein Haus ist da drüben«, erklärte Luca und blieb vor einem Tor stehen. »Da wären wir, das ist die Villa Torini. Komm, Rosanna.« Luca nahm seine Schwester bei der Hand und führte sie die Auffahrt zu einer mit Bougainvillea bewachsenen Veranda hinauf. Nach kurzem Zögern klingelte er.
    Kurz darauf wurde die Tür von einer Bediensteten mittleren Alters geöffnet.
    » Sì? Cosa vuoi? Was willst du?«
    »Wir würden gern mit Signor Vincenzi sprechen, Signora. Das ist Rosanna Menici, und ich bin ihr Bruder Luca.«
    »Habt ihr einen Termin?«
    »Nein, aber Roberto Rossini …«
    »Ohne Termin empfängt Signor Vincenzi niemanden. Auf Wiedersehen.« Sie schloss die Tür.
    »Lass uns nach Hause gehen, Luca.« Rosanna zupfte nervös am Ärmel ihres Bruders. »Wir haben hier nichts verloren.«
    Da hörten sie im Haus jemanden Klavier spielen. »Nein! Wir haben den Weg hierher nicht umsonst gemacht. Komm mit. Du wirst Signor Vincenzi vorsingen.« Luca zog seine Schwester vom Eingang weg.
    »Wo willst du hin, Luca? Ich möchte nach Hause«, flehte sie ihn an.
    »Rosanna, bitte, vertrau mir.« Luca packte Rosanna am Arm und folgte dem Klang der Musik, der ihn um die Villa herum zu einer großen Terrasse mit riesigen Tontöpfen voll zart rosafarbener Geranien und lilafarbenem Immergrün führte.
    »Warte hier«, flüsterte Luca und lief geduckt die Terrasse entlang, bis er eine Tür erreichte, die offen stand, um die nachmittägliche Brise hereinzulassen. Er lugte vorsichtig hinein.
    »Er ist da drin«, flüsterte er Rosanna zu, als er wieder bei ihr war. »Sing, Rosanna, sing!«
    Sie sah ihn verwirrt an. »Wie bitte?«
    »Sing das ›Ave Maria‹, schnell!«
    »Ich …«
    »Mach’s!«, drängte er sie.
    Rosanna, die ihren sanftmütigen Bruder noch nie so entschlossen erlebt hatte, folgte seiner Aufforderung.
    Luigi Vincenzi nahm gerade seine Pfeife in die Hand, um einen Nachmittagsspaziergang im Garten zu machen, als er die Stimme hörte. Er lauschte einige Sekunden lang mit geschlossenen Augen, dann durchquerte er den Raum und trat neugierig hinaus auf die Terrasse, wo ein Mädchen von höchstens elf Jahren in einem ausgewaschenen Baumwollkleidchen sang.
    Die Kleine verstummte in dem Moment, in dem sie ihn bemerkte. In ihrem Gesicht flackerte Angst auf. Ein junger Mann, seinem Aussehen nach zu urteilen ein Verwandter von ihr, stand neben ihr.
    Luigi Vincenzi applaudierte.
    »Danke, meine Liebe, für dieses reizende Ständchen. Aber darf ich fragen, was ihr zwei auf meiner Terrasse macht?«
    Rosanna versteckte sich hinter ihrem Bruder.
    »Entschuldigen Sie, Signore, Ihr Dienstmädchen hat uns abgewiesen«, antwortete Luca. »Ich wollte ihr erklären, dass wir Ihre Adresse von Roberto Rossini haben.«
    »Verstehe. Darf ich eure Namen erfahren?«
    »Das ist Rosanna Menici, und ich bin ihr Bruder Luca.«
    »Kommt mal lieber rein«, sagte Luigi.
    »Danke, Signore.«
    Luca und Rosanna folgten ihm ins Haus. Der große Raum hinter der Terrassentür wurde von einem weißen Flügel auf glänzend grauem Marmorboden beherrscht. Bücherregale säumten die Wände, in denen sich unordentlich Noten stapelten. Auf dem Kaminsims befanden sich zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotos von Luigi in Abendkleidung mit Leuten, deren
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