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Das Internat

Das Internat

Titel: Das Internat
Autoren: Suzanne Forster
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ab, als wäre sie aus Stein. Und in vielerlei Hinsicht traf das auch zu. Tansy tat, was sie tun musste, und sie quälte sich selten mit Zweifeln oder Unsicherheit. Doch das warf sie aus der Bahn. Was bedeutete das?
    Ich vermache meiner einzigen verbleibenden Erbin, Tansy Grace, all meine weltlichen Güter, Besitztümer und Anwesen, einschließlich meines Lebenswerkes, in dem Glauben, dass sie die unermüdliche wissenschaftliche Recherche und Entwicklung der Firma fortführen wird.
    Tansy ging um den Schreibtisch herum und setzte sich auf den Stuhl, schlotternd. Sie zitterte, schwebte. Hände und Füße konnte sie nicht mehr spüren. Schwerelos. Er hatte ihr sein Geschäft überlassen – nichts hatte ihm mehr bedeutet als das, außer vielleicht Ivy.
    Ivy. Der Gedanke an ihre Schwester löste diesmal keinen brennenden Schmerz in ihr aus.
    Ein hysterisches Gelächter brach aus Tansy hervor. Mit den bloßen Fingerknöcheln schlug sie gegen die scharfen Kanten des Walnusstisches und zuckte bei dem Schmerz zusammen. Sie musste die Kontrolle zurückgewinnen.
    Nichts davon bedeutete, dass er sie liebte. Es hieß noch nicht einmal, dass sie ihm etwas bedeutet habe. Trotzdem musste er sie geschätzt haben, wenn er ihr sein Imperium hinterließ. Möglicherweise hatte sie sich doch seinen Respekt verdient.
    Gott, das war zu viel. Sein Lebenswerk hatte er ihr anvertraut, in dem Glauben, dass sie es weiterführen könne. Ja, zu viel.
    Um es noch einmal zu lesen, langte Tansy nach dem Dokument. Sie würde die Worte immer wieder anschauen, bis sie es begreifen, bis sie es verinnerlichen würde. Es gab seitenweise Details. Wenn sie sie langsam und sorgfältig las, würden sie vielleicht einen Sinn ergeben.
    Vertieft in die vor ihr liegende Aufgabe, überhörte Tansy ein leises schnappendes Geräusch. Es kam von der Wand oder vom Boden, Holz, das sich dehnte oder zusammenzog. Was Holz eben so machte. Erst langsam wurde Tansy bewusst, dass sich jemand bei ihr im Zimmer befand. Als sie hochsah, erblickte sie einen Mann in einem langen schwarzen Trenchcoat. Eine Halloween-Maske, die das unheimliche Grinsen eines Skeletts zeigte, verdeckte sein Gesicht. Seine Hände steckten in Handschuhen und in der rechten hielt er eine Pistole mit Schalldämpfer. Er hatte die Waffe nicht auf Tansy gerichtet, aber sie wusste, dass er es bald tun würde.
    "Ich will nicht sterben", flüsterte sie.
    "Das wollten sie auch nicht, Tansy – die Menschen, die du hingerichtet hast. Sie wollten auch nicht sterben."
    Sie erkannte die Stimme nicht, doch das wunderte sie nicht. Viele Leute wollten sich möglicherweise an ihr rächen. Die einsamen Mädchen natürlich, außerdem Jameson Cross und der zukünftige Ex-Präsident Larry Mantle – oder jemand, der mit ihm in Verbindung stand. Nola Daniels, sollte sie herausgefunden haben, dass Tansy ihren Mann mit Anrufen terrorisiert hatte. Oder Lane Davison, weil Tansy den Tod ihres Mannes inszeniert hatte und Lane dann mit anonymen Drohungen verfolgt hatte, um sie zum Schweigen zu bringen.
    Jeder von ihnen würde sie tot sehen wollen.
    Tansy fiel noch jemand anders ein, und augenblicklich schien ihr Blut zu gefrieren. Sogar ihr Vater hätte ihren Tod gewollt.
    Bitterkeit stieg in Tansy auf, als sie das Testament betrachtete und feststellte, dass es kein Erbe gab. Ihr Vater hatte seine Firma der Tochter anvertraut, die er zu kennen geglaubt hatte, der brillanten Anwältin Tansy Black. Sie hatte er respektiert. Nicht die Frau, die alles für ihn geopfert hatte. Ein Lügner und Heuchler. Von Furchtlosigkeit hatte er gesprochen und doch keine Ahnung davon gehabt. Er hatte sogar um sein Leben gefleht, etwas, zu dem sich Tansy niemals herablassen würde.
    Scheiß auf ihn. Scheiß auf sie alle. Zorn brannte in ihrer Wut, und eine Träne rollte Tansy die Wange hinunter. Angesichts des Todes empfand sie keine Trauer. Nur: Wie konnte Tansy sterben, wenn sie nie gelebt hatte? Sie war nicht sicher, ob es auch nur einen glücklichen Moment in ihrem Leben gegeben hatte, außer ihre Vorfreude angesichts der Möglichkeit, dass ihr Vater stolz auf sie wäre.
    "Erschieß mich", flüsterte sie. "Bring es hinter dich."
    Der Eindringling starrte Tansy durch die Augenlöcher der Maske an und enthüllte die ewige Kälte im Blick eines Mörders. Es gab darin keine Hoffnung, kein Mitleid, kein Leben. Als erblicke Tansy ihr Spiegelbild. Der Mann schaltete Menschen aus, die im Weg waren, so wie sie es tat. Effizient und ohne schlechtes
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