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Das Hotel

Das Hotel

Titel: Das Hotel
Autoren: Heyne
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Cameron Verstecken spielte. Er hatte es geliebt, plötzlich aus dem Nichts aufzutauchen und sie so sehr zu erschrecken, dass sie aufschrie. Einen Augenblick lang stellte sie sich vor, dass Cam hinter den Vorhängen stand, die Arme in die Höhe gestreckt, auf den richtigen Moment wartend, um sie zu packen. Eine der wenigen netten Erinnerungen an Cam.
    Dann machte Cam etwas anderem in ihrer Vorstellung Platz: einem verschmutzten, haarigen Irren mit einem rostigen Messer.
    Maria schüttelte den Kopf, als könnte sie den Gedanken dadurch vertreiben.
    Aber es funktionierte nicht.
    » Reiß dich zusammen«, flüsterte sie. » Da ist nichts.«
    Nur noch einen halben Meter. Plötzlich bewegten sich die Vorhänge erneut.
    Und noch einmal.
    Als ob jemand von der anderen Seite dagegen stieß.
    Maria zuckte zusammen und wich zurück.
    Das ist nur der Wind.
    Was sollte es sonst sein.
    Oder?
    » Das ist der Wind«, murmelte sie zähneklappernd.
    Der Wind. Sonst nichts. Garantiert nicht irgendein Typ, der in mein Zimmer einbricht.
    Aber was wäre, wenn …
    Sie dachte an das Pfefferspray in ihrem Koffer, dachte daran, so schnell wie möglich von hier abzuhauen. Wenn nur Felix bei ihr wäre. Er würde sich über das alles totlachen.
    Du legst locker einen Triathlon hin, bist aber zu feige, um zum Fenster zu gehen?
    Nein, ich bin nicht zu feige. Ich habe vor nichts Angst.
    Aber sie holte trotzdem das Pfefferspray und hielt es vor sich, als ob es alles Böse von ihr abzuwenden vermochte. Vor dem Fenster zögerte sie erneut. Die Vorhänge hatten aufgehört, sich zu bewegen.
    » Tu es.«
    Maria rührte sich nicht von der Stelle.
    » Tu es einfach.«
    Sie biss die Zähne zusammen und riss mit einer Bewegung die Vorhänge beiseite …
    … um eine Wand freizulegen, wo eigentlich das Fenster hätte sein müssen.
    Sie starrte verwirrt auf die Ziegel, spürte dann aber einen kühlen Luftzug am Arm.
    Da. In der Ecke. Ein Loch im Mörtel, durch das der Wind blies.
    Maria musste lachen. Es klang in dem winzigen Raum seltsam hohl. Sie drückte gegen die Ziegel, um sicherzugehen, dass sie keine getarnte Tür oder dergleichen waren, aber sie fühlten sich kalt und solide an.
    Nur ein Geist hätte da durchkommen können. Und Maria glaubte nicht an Geister. Das Leben war schaurig genug. Man musste nichts Schauriges dazuerfinden.
    Sie ließ den Vorhang los und dachte erneut an Cameron und all das, was er durchgemacht hatte. Das war echter Horror gewesen – nicht nur ein Luftzug, der die Vorhänge in einer heruntergekommenen Hinterwäldler-Pension bewegte.
    Wegen ihres intensiven Trainings hatte sie ihren Bruder schon einige Wochen lang nicht mehr gesehen. Sie wollte ihn aber direkt nach dem Wettkampf in der Anstalt besuchen. Vielleicht würde Felix mitkommen, obwohl ihm Cam nicht ganz geheuer war.
    Er wird trotzdem kommen, schließlich liebt er mich.
    Erneut sehnte sie sich nach Felix. Er hatte versprochen, dass er beim Wettkampf am Samstag da sein würde, damit er danach ihre müden Muskeln massieren konnte.
    Maria warf einen Blick auf ihre linke Hand und den birnenförmigen Diamanten an ihrem Ringfinger. Er schimmerte gelblich. Ihre Lieblingsfarbe. Manchmal vergingen Stunden, ohne dass sie sich des Rings bewusst war, obwohl sie ihn erst seit ein paar Tagen trug. Aber bei seinem Anblick musste sie immer wieder lächeln.
    Maria ging am Bett vorbei zur Tür, um sicherzugehen, dass der Riegel noch immer vorgeschoben war, und fragte sich, warum sie das alles derart aus der Fassung gebracht hatte.
    Sie drehte sich Richtung Bad, als sie plötzlich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.
    Die Quasten der Tagesdecke auf dem Bett flatterten.
    Als ob etwas sie gestreift hätte.
    Etwas, das unters Bett gekrochen war.
    Maria blieb stocksteif stehen. Die Angst hatte sie erneut ergriffen und hielt sie in ihren Klauen. Sie spürte, wie ihr das Herz bis zum Hals schlug.
    Da ist NIEMAND unter meinem Bett.
    Und doch …
    So weit hergeholt diese Idee auch schien – es gab unter dem Bett genügend Platz für jemanden, der sich dort verstecken wollte. Schließlich stand es auf relativ hohen Beinen.
    Ein verschmutzter, haariger Irrer mit rostigem Messer?
    Maria schüttelte den Kopf.
    Das war wieder der Wind.
    Nein, unmöglich. Diese Seite des Betts war vom Fenster abgewandt.
    Eine Ratte?
    Es konnte eine Ratte sein.
    » Letztes Jahr war ich Vierte beim Iron Woman . Ich habe keine Angst vor einer kleinen Ratte.«
    Maria kniete sich auf den Boden und kroch Richtung
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