Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes
Autoren: Faye Kellerman
Vom Netzwerk:
davon.
     
    Marge erwartete ihn bereits an seinem Schreibtisch.
    »Was gibt es denn so Dringendes mitten in der Nacht?« Decker sah auf seine Uhr. »Um 23:36.«
    »Ich hoffe, du hast einen Muntermacher geschluckt.«
    »Was ist los?«
    Sie drückte ihm ein paar Papiere in die Hand – Durchsuchungs- und Haftbefehle. »Das ging aber schnell«, sagte er. »Arlingtons Aussage hat bei einem Richter schwer Eindruck gemacht. Morrison brauchte ihn bloß anzurufen und voilà!«
    Decker las sich die Dokumente durch – Durchsuchungsbefehle für die Executive First und Cameron Smithsons Eigentumswohnung sowie einen Haftbefehl für Smithson junior persönlich. »Und Dustin?«
    »Wir können ihm nichts nachweisen. Jetzt sei doch mal mit dem zufrieden, was wir haben.« Marge zog sich den Mantel an. »Die Kollegen aus West L. A. durchsuchen Juniors Wohnung. Wir übernehmen die Executive First.«
    Decker steckte die Papiere ein. »Schnappen wir uns den Dreckskerl«, sagte er.
     
    Vierzig Minuten später bogen Decker und Dunn in die Avenue of the Stars ein. Die Durchgangsstraße von Century City, ein schwarz schimmerndes Asphaltband, wurde von Konstruktionen aus Stahl und Glas gesäumt, die in der kühlen, feuchten Nachtluft glitzerten. Marge parkte den Plymouth in der Ladezone eines der postmodernen Gebäude. Mit dem Kasten wollte bestimmt irgendein Architekt irgendwas aussagen, dachte sie. Kalt, kalt, kalt!
    Sie gingen über den schwarz gepflasterten Weg auf die breite Glastür zu. In der Eingangshalle, die durch Leuchtstoffröhren an der Decke hell erleuchtet wurde, saß rechts neben dem Block von sechs Fahrstühlen ein Wachmann in einem Glaskasten und las eine Sportillustrierte.
    Decker klopfte an die Scheibe, und der Wachmann sah hoch – ein Mann mittleren Alters mit schwammigen, fleischigen Zügen und einem Schädel, der so blank war wie eine Billardkugel. Die Hand an der Waffe, kam er zu ihnen herüber. Sie zeigten ihre Marken.
    »Worum geht’s?« fragte er, während er die Tür aufschloß.
    »Wir haben einen Durchsuchungsbefehl für Nummer 581 in diesem Gebäude«, erklärte Marge. »Sind Sie von Ihrem Vorgesetzten nicht benachrichtigt worden, daß wir kommen?«
    »Ich weiß von nichts«, antwortete der Glatzkopf achselzuckend.
    »Dann erkundigen Sie sich«, sagte Decker.
    Der Wachmann telefonierte, und sie setzten sich solange vor den Aufzügen auf eine Bank. Decker stemmte die Ellenbogen auf die Knie und stützte sein Kinn in die Hände. Bis jetzt war ihm nie so recht klar gewesen, wie sehr Rina, die Jungen und die Jeschiwa sein Leben ausgefüllt hatten. Und nun, da er plötzlich Zeit für sich selbst hatte, fühlte er sich eher ziellos als befreit. Er wurde wütend. Rina hatte kein Recht, ihn im Stich zu lassen. Aber vielleicht war auch alles seine Schuld gewesen. Hatte nicht er selbst eine Denkpause vorgeschlagen? Aber das hieß noch lange nicht, daß sie ihn gleich verlassen und aus Kalifornien wegziehen mußte.
    Verfluchte Scheiße! Na ja, Wut war immer noch besser als Depressionen. Wut brachte ihn wenigstens auf Touren. Wenn er deprimiert war, lief er wie ein Zombie durch die Gegend.
    »Meinst du, wir finden was?« fragte Marge.
    »Ich bin nicht so naiv, mir einzubilden, der Kerl würde seine Geschäftsbücher offen rumliegen lassen, aber vielleicht entdecken wir ja trotzdem ein paar Beweise gegen die ganze verdammte Schweinebande.«
    »Alles in Ordnung mit dir, Pete?«
    »Alles bestens.«
    Der Wachmann legte den Hörer auf und winkte sie zu sich.
    »Okay«, sagte er. »Hat alles seine Richtigkeit mit Ihnen. Ich sollte eigentlich verständigt werden, aber da hat mal wieder einer Mist gebaut. Ich glaube, in der Telefonzentrale sind sie fast alle ständig auf Stoff.« Er rieb sich die Augen und kratzte sich den kahlen Schädel. »Andauernd so ein Genuschel und Gekicher in der Leitung.«
    »Können Sie uns jetzt nach oben bringen?« fragte Marge ungeduldig.
    »Aber sicher doch, Detective. Bin schon dabei.«
    Er schloß den Fahrstuhl auf, fuhr mit ihnen in den vierten Stock, zückte seinen Generalschlüssel und brachte sie zu den gesuchten Büroräumen. Gedämpftes Gemurmel drang durch die Wand. Decker legte den Zeigefinger auf die Lippen und blieb erst stehen, als sie außer Hörweite waren, aber trotzdem noch nah genug, um die Tür im Auge behalten zu können.
    »Seit wann sind die hier oben?« fragte Marge den Wachmann flüsternd.
    »Sie müssen schon vor mir gekommen sein. Seit ich Dienst habe, ist keiner an mir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher