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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes
Autoren: Faye Kellerman
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Pode.
    »Ach, was«, sagte Decker, als wäre diese Vermutung mehr als abwegig. »Möchten Sie wissen, was ich über Sie herausgefunden habe?«
    »Das interessiert mich herzlich wenig«, sagte Dustin. Obwohl er die Hände gefaltet hatte, zitterten sie.
    »Ich habe mir Ihre alten Krankengeschichten angesehen und herausgefunden, daß Sie als Kind mißhandelt wurden«, sagte Decker. »Verdammt schade, daß so etwas damals nicht angezeigt wurde. Ihre Mutter hat sich oft einen angesoffen und Sie dann verprügelt. Wollen Sie wissen, was ich noch in Erfahrung gebracht habe?«
    Dustin antwortete nicht.
    »Earl wurde als Kind ebenfalls mißhandelt. Aber als er fünf war, passierte etwas Merkwürdiges. In seinen Unterlagen deutet plötzlich nichts mehr auf Folgen von Mißhandlungen hin. Bei Ihnen gehen die entsprechenden Eintragungen bis ins Teenageralter weiter.«
    Pode fing an zu keuchen.
    »Es sind zwar bloß Spekulationen …«
    »Das interessiert mich nicht«, sagte Pode kläglich. Aber Decker fuhr fort.
    »Mit sieben Jahren mußte Earl wegen Verbrennungen an den Händen zum Arzt. Zuerst habe ich geglaubt, dabei handelte es sich ebenfalls um Spuren von Mißhandlungen. Aber dann habe ich angefangen nachzudenken. Verbrennungen infolge von Kindesmißhandlungen finden sich meistens an Stellen, die nicht leicht zu sehen sind – auf dem Rücken, am Bauch, am Gesäß. Verbrennungen an den Händen deuten auf ein Kind hin, das mit Feuer spielt.
    Sehen Sie, und deshalb habe ich Sie nach dem Bettnässen gefragt. Zündeln, Bettnässen und Tierquälerei sind eine Dreierkombination, die man bei vielen psychopathischen Teenagern findet. Ich hätte zu gern gewußt, ob Earl wohl auch Lebewesen gequält hat – Käfer, Haustiere … oder vielleicht Menschen?«
    Pode gab keinen Ton von sich. Decker fing an, ihn zu umkreisen wie ein Geier das Aas.
    »Bauen wir doch unsere Hypothese noch ein wenig aus«, sagte er. »Aus irgendeinem Grund wurde Earl auf einmal nicht mehr von Ihrer Mutter geschlagen. Und als neugieriger Mensch frage ich mich da natürlich: Warum? Vielleicht war Earl ein kleiner Feuerteufel, der mit Streichhölzern gespielt hat, um sich die Mama vom Leib zu halten, hm? Was meinen Sie dazu?«
    »Sie haben eine blühende Phantasie.«
    »Earl hat Mamas Bett angezündet, als sie mal wieder ihren Rausch ausschlief. Sie war eine clevere Frau, die schnell gemerkt hat, woher der Wind wehte. Aber natürlich hat sie nie jemandem erzählt, daß ihr Goldjunge sie verbrennen wollte. Dann hätte sie ja zugeben müssen, wie sie ihre Jungen behandelt hat. Also hat sie die Schutzbehauptung aufgestellt, sie wäre mit einer Zigarette im Bett eingeschlafen. Außerdem wußte sie ja, daß Sie sie retten würden. Sie waren der liebe Sohn …«
    »Lügen …«
    »Mama wußte Bescheid«, sagte Decker, über ihn gebeugt. »Es lohnte sich nicht, Earl eine Tracht Prügel zu verpassen, nur um sich hinterher verbrennen zu lassen. Außerdem hatte sie ja immer noch den lieben, guten Dustin, dem sie das Fell gerben konnte. Sie ließ Earl in Ruhe. Aber dadurch wurde es für Sie nur um so schlimmer. Habe ich nicht recht, Dustin?«
    »Dreckige Lügen!«
    »Earl hat geglaubt, nicht nur sich selbst, sondern auch Ihnen zu helfen. Er ahnte nicht, daß Mama Sie noch mehr gepiesackt hat, wenn er nicht hinsah. Und Sie haben sich zu sehr geschämt, um es ihm zu erzählen.«
    Decker kauerte sich vor Pode.
    »Gehen wir zurück zum Mai 1977«, sagte er.
    Dustin atmete heftig aus. »Nein.«
    »Mama lag allein im Bett«, sagte Decker. »Earl war zu der Zeit schon von zu Hause weggelaufen. In den High-School-Unterlagen von’77 wird er nicht mehr aufgeführt. Nun weiß ich nicht, was der Auslöser war, aber Sie hatten auf jeden Fall eine Idee. Als Mama mal wieder ihren Rausch ausschlief, nahmen Sie ein Streichholz …«
    »Nein!« schrie Pode. »Das ist ja grotesk!«
    »Sie haben ihr Bett in Brand gesteckt. Womöglich waren Sie plötzlich doch noch ein Mann geworden …«
    »Sie verstehen überhaupt nichts!« brach es aus Dustin hervor. »Mein Vater …« Er beendete den Satz nicht.
    »Sie hat nicht weitergeschlafen wie ein braves Mädchen, was, Pode? Sie wollte fliehen. Niemand war da, der ihr half. Wahrscheinlich hat sogar noch jemand nachgeholfen …«
    »Nein!«
    »Es macht Ihnen ja keiner einen Vorwurf«, sagte Decker freundlich. »Mann, ich wäre auch ganz schön sauer, wenn mich einer im Suff ständig nach Strich und Faden verdreschen würde. Und Sie müssen wirklich
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