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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers
Autoren: Deon Meyer
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zusammenbraute, während ihre neidischen Kollegen bloß raten und alte Gefälligkeiten als Hebel benutzen konnten, um zu versuchen, doch noch ein wenig mehr zu erfahren.
    Deswegen blickten nun alle sechzehn Augenpaare Mentz an. In der Vergangenheit hatte es andere unausgesprochene Fragen gegeben. Am Anfang, als sie das Team für den Direktor zusammengestellt hatte, hatten sie ihre Fähigkeiten abgeschätzt, ihre Autorität, denn die Gruppe bestand vor allem aus Männern, die aus Bereichen kamen, wo sie auch das Sagen hatten. Sie probierten sich an ihr aus und stellten fest, daß Schimpfworte und großspuriges Gehabe sie nicht aus der Fassung brachten: Aggression ließ Janina Mentz ruhig und kalt reagieren, kaum verbrämter Antifeminismus provozierte sie nicht. Stück für Stück rekonstruierten sie ihre Geschichte und lernten ihre neue Herrin kennen: Kindheit auf dem Dorf, herausragende akademische Karriere, politisches Engagement, Aufstieg in der Partei, langsam, weil sie eine weiße Afrikaanerin war, und irgendwo zwischendurch hatte sie geheiratet und sich scheiden lassen. Es war alles sehr mühsam gewesen – bis der Direktor sie ausgewählt hatte.
    |37| Nun aber respektierte man sie für das, was sie zustande gebracht hatte, und wie sie es geschafft hatte.
    Daher konnte Janina Mentz den Saal mit gedämpfter Zuversicht betreten. Sie schaute auf die Uhr, bevor sie sagte: »Guten Abend, allerseits.«
    »Guten Abend, Mrs. Mentz.« Ein jovialer Chor, der gehorsam dem Wunsch des Direktors nach Förmlichkeit nachkam. Sie war entspannt. Alle wußten, wer das Sagen hatte.
    Janina Mentz strich energisch ihren grauen Rock glatt, als sie am Kopf des langen Tisches Platz nahm, neben dem Laptop, der an den Videoprojektor angeschlossen war. Sie schaltete den Projektor ein.
    »Ich darf eines gleich klarstellen: Von diesem Moment an ist der Einsatzraum offiziell im Einsatz. Dies ist kein Test.« Die Spannung im Raum nahm zu.
    »Es sollte keinerlei Zweifel daran geben, daß es sich um etwas Ernstes handelt. Wir haben hart daran gearbeitet, jetzt hierzusein und unsere Fähigkeiten und Möglichkeiten unter Beweis zu stellen. Ich bin von Ihrem Einsatz abhängig.«
    Mentz klappte den Laptop auf und startete Microsoft PowerPoint. »Dieses Foto wurde vor neunzehn Tagen am Eingang der amerikanischen Botschaft als Teil unserer routinemäßigen Überwachungsmaßnahmen erstellt. Der Mann, der aus der Tür kommt, ist Johnny Kleintjes, ein ehemals hochrangiger Mitarbeiter des Geheimdienstes im Freiheitskampf. Er studierte theoretische und angewandte Mathematik an der University of the Western Cape, aber wegen seiner politischen Aktivitäten, der vorgegebenen Einschränkungen und des extremen Drucks durch das damalige Regime, machte er keinen Abschluß. Von 1972 an befand er sich im Exil – zu spät, um noch zu den Frontmännern, den
Mgwenya,
der sechziger Jahre zu gehören. Aber er machte sich schnell einen Namen in den Büros von ANC und MK in London. 1973 heiratete er. Von 1976 an erhielt er in Odessa eine DDR-Ausbildung. Sein Spezialgebiet war Aufklärung; er trug den Decknamen
Umthakathi
, was Zauberer |38| bedeutet, da er so gut mit Computern umgehen konnte. Kleintjes war dafür verantwortlich, in den achtziger Jahren das Computersystem des ANC in London, Lusaka sowie in Quibaxe in Angola einzurichten, und, wichtiger noch, er war der Projektleiter der Integration der Computersysteme und Datenbanken von Freiheitskampf und Regierung nach 1995. Er zog sich 1997 – mit zweiundsechzig – zurück, nachdem seine Frau an Krebs gestorben war, und wohnt mit seiner einzigen Tochter Monica zusammen.«
    Sie schaute auf. Alle hörten aufmerksam zu.
    »Die Frage ist: Was trieb Johnny Kleintjes in der amerikanischen Botschaft? Die Antwort ist, daß wir es nicht wissen. Eine Telefonüberwachung von Kleintjes’ Anschluß wurde noch am selben Abend begonnen.«
    Mentz klickte mit der Maus. Ein weiteres Foto, schwarzweiß: eine Frau, ein wenig pummelig, vor einer offenstehenden Wagentür. Die grobe Körnung des Bildes deutete darauf hin, daß es mit einem Teleobjektiv auf große Entfernung geschossen worden war.
    »Dies ist Monica Kleintjes, die Tochter von Johnny Kleintjes. Ein typisches Kind von Exilanten. 1974 in London geboren, ging dort zur Schule, und blieb bis 1995, um ihr Studium der Computerwissenschaft abzuschließen. 1980 wurde sie Opfer eines Autounfalls in der Nähe von Manchester und verlor dabei beide Beine. Sie bewegt sich mit Hilfe von
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