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Das Herz der Wueste

Das Herz der Wueste

Titel: Das Herz der Wueste
Autoren: Meredith Webber
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ganz, und die von Staub erfüllte Luft ließ weder Mondschein noch Sternenschimmer durch. Jenny hielt sich dicht hinter ihrem Führer, stolperte durch Sandwehen, die der Sturm an manchen Stellen aufgetürmt hatte.
    Am Jeep angekommen, hielt Kamid ihr die Tür auf. Es drängte ihn, mit ihr zu reden, aber er wusste, dass er sich noch ein bisschen gedulden musste. Was sie ihm gesagt hatte, ging ihm nicht mehr aus dem Sinn. Bei dem Unfall hatte sie ihr Baby verloren. Welchen Schaden mochte sie noch davongetragen haben?
    Ihm zog sich das Herz zusammen. Er sah Jenny vor sich, die kleine Rosana auf der Hüfte, erinnerte sich daran, wie liebevoll sie mit dem Mädchen, den Jungen, die ihr Wasser holten, mit Hamid umgegangen war. Sie schenkte ihre Liebe den Kindern anderer Mütter …
    Im Flüchtlingslager hatte sich der Sand an den Zeltwänden aufgehäuft, und einige Frauen waren bereits dabei, ihn wegzufegen.
    „Ein paar Stunden länger, und das gesamte Lager wäre unter Sand begraben worden.“ Jenny schaute sich um.
    Wie konnte sie so ruhig bleiben? Liebe, Erotik, Sex, was auch immer es für sie gewesen war, sie konnte es anscheinend einfach abhaken.
    Kamid hingegen fühlte sich genau so, wie sie es beschrieben hatte. Da war das Pulsrasen, der feine Schmerz in der Brust und das leise Zucken in der Herzgegend, als sie die Sandalen ausgezogen hatte, um im Frauenzelt zu verschwinden. Die Trennung hatte noch keine Minute gedauert …
    Er wollte darüber sprechen, aber sie zeigte auf seinen Geländewagen und fragte, ob er ihn wohl wieder freibekommen würde.
    „Du fährst doch bald, oder?“ Hoffentlich, dachte sie. Je eher er das Lager verließ und sich seiner eigentlichen Aufgabe widmete, umso schneller käme ihr armes Herz zur Ruhe.
    Ehe sie etwas Dummes tat und von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft träumte …
    „Morgen … ja, ich sollte morgen aufbrechen.“ Er trat näher, und sofort klopfte ihr verräterisches Herz schneller.
    „Das ist sicher das Beste“, bekräftigte sie, während sie sich ihm zuwandte. Im dämmrigen Licht konnte sie sein Gesicht kaum erkennen, und der Mond verbarg sich immer noch im Dunst. „Es war wunderschön, Kamid, ich werde die Zeit mit dir nie vergessen. Abenteuer, eine Herausforderung, Spaß und Freude, du hast mir alles gegeben.“
    „Alles?“
    „Alles, was ich mir gewünscht habe, seit David tot ist.“ Das war die Wahrheit – jedenfalls bis zu dem Moment, als sie Kamid begegnete.
    Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie leicht. „Liebe gehört nicht dazu? Hast du die Liebe aus deinem Leben verbannt, weil du deinen Mann verloren hast? Versagst du dir die Freuden der Liebe, um nicht wieder verletzt zu werden? Hast du mir nicht erzählt, wie leer das Leben ist, wenn man nie geliebt hat?“
    Sein brennender Blick suchte ihren. „Dabei bist du diejenige, die ihr Herz verschließt und von einem Ort zum anderen zieht, als wäre sie auf der Flucht. Du hilfst Menschen, aber du bleibst nie lange genug, damit bloß keine Bindungen entstehen. Und ich habe dich für tapfer und mutig gehalten!“ Kamid hatte sich in Rage geredet. „In Wirklichkeit bist du feige und hast Angst, nach dem Glück zu greifen. Du könntest ja enttäuscht werden!“
    „Kamid, bitte.“ Es kostete sie all ihre Kraft, ruhig zu klingen. „Ich kann nicht.“ Mehr brachte sie nicht heraus. Nur noch ein Wort, und ihre Stimme würde brechen, Tränen würden fließen.
    Die Arme fest um sich geschlungen, als wäre ihr wild klopfendes Herz nicht anders zu bändigen, eilte sie ins Sanitätszelt, ihr Zuhause auf Zeit.
    Jenny hielt Rosana auf dem Arm und blickte dem Wagen entgegen, der auf das Flüchtlingslager zufuhr. Dachte sie deshalb an Kamid? Weil sie das Mädchen an jenem Morgen, als er hier aufgetaucht war, auch auf dem Arm gehabt hatte?
    Aber wann dachte sie nicht an Kamid …?
    Tag und Nacht schlich er sich in ihre Gedanken, und die Erinnerungen an seine Wärme, sein Lachen und seine liebkosenden Hände begleiteten sie auf Schritt und Tritt.
    Die Staubwolke legte sich und gab den Blick auf einen großen, glänzenden schwarzen Geländewagen frei, nicht zu vergleichen mit Kamids zerbeultem Jeep. Eine der hinteren Türen öffnete sich, und heraus stieg ein stattlicher, breitschultriger Mann in fließendem weißen Gewand, eine Hand an der schwarzen Doppelkordel auf der Kufiya, dem weißen Kopftuch.
    Wie gebannt starrte Jenny ihn an. Als wäre er einem orientalischen Märchen entstiegen, ein hochgewachsener
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