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Das Herz der Kriegerin

Das Herz der Kriegerin

Titel: Das Herz der Kriegerin
Autoren: Corina Bomann
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Freund
Vorwürfe, weil er mich nicht davon abgehalten hatte, das hier zu tun? Wenn er
nur wüsste …
    Als schließlich die Asche über mir zusammengekratzt wurde, war es
wohl tiefste Nacht. Ich vernahm die Stimmen der Männer, doch ich hörte ihnen
nicht zu. Was konnten sie schon sagen? Dass Ihnen das Schicksal der Jungfrau
leidtat? Dass sie verdient hatte, so zu sterben?
    Wie viel Zeit noch verging, wusste ich nicht, doch schließlich
waren alle Menschen fort und ich konnte herauskommen. Die Schwärze der Nacht war
vollkommen, kein Mond beleuchtete den Platz. Meine Haut unterschied sich nicht
von der Dunkelheit, meine Kleider hatte das Feuer vollständig verzehrt.
    Mit einem tiefen Seufzer atmete ich ein, ließ die Luft so tief wie
möglich in meine Lungen dringen und blickte dann durch die Dunkelheit. Meine
Freunde würden vor der Stadt warten, ich bezweifelte, dass sie sich die
Verbrennung mit angesehen hatten.
    Ich rang den Wunsch nieder, so, wie ich war, dem Herrn Richter
unter die Augen zu treten, und huschte im Schatten der Mauer durch die
Stadt.
    An dem Mauerstück angekommen, vor dem meine Freunde warten
wollten, kletterte ich nach oben, wie ich es früher am Mastbaum der Freydis
getan hatte. Die Soldaten, die auf der Mauer patrouillierten, bemerkten mich
nicht, mit all dem Ruß auf der Haut war ich nahezu unsichtbar in der Dunkelheit.
An einer günstigen Stelle ließ ich mich schließlich in die Tiefe fallen und
landete weich auf im Schlamm des Grabens.
    Von dort aus lief ich weiter.
    »Wenn ich nicht wüsste, dass Belemoth größer ist, hätte ich
geglaubt, ihn um die Ecke kommen zu sehen«, sagte Sayd, als er mich in Empfang
nahm und mir zärtlich den Ruß von den Wangen wischte. Auch Gabriel war da, und
als er mich erleichtert anlächelte, erkannte ich in ihm wieder den Mann, der
mich nach der Prüfung der Sieben Wunden überglücklich in Empfang genommen
hatte.
    Das Feuer war mit jener ersten und schrecklichsten Prüfung nicht
zu vergleichen gewesen, doch ich war froh, dass es vorbei war. Nur wenn es galt,
wieder einen ganz besonderen Menschen wie Jeanne zu retten, würde ich so etwas
noch einmal auf mich nehmen.
    »Ist das Mädchen in Sicherheit?«
    »Mit den anderen auf dem Weg nach Süden. Wohin wir auch reiten
werden.«
    »Also nicht zurück ins Dorf?«
    »Erst einmal nicht. Wir müssen Malkuth suchen, schon vergessen? Er
und seine Lamie sind sicher längst über alle Berge.«
    Meine alte Heimat wiederzusehen, freute mich, doch dass Malkuth
eine Lamie hatte, ärgerte mich über alle Maßen. Allerdings konnte ihm Aisha
vorerst nicht mehr helfen. Immerhin ein Triumph, dachte ich, als ich in die
Kleider schlüpfte, die Sayd mir reichte, und mich dann auf das Pferd
schwang.
    Am Lagerfeuer viele Meilen südlich von Rouen hatte ich zum
ersten Mal wieder die Gelegenheit, etwas in meine Chronik zu schreiben. Der
Geruch des Feuers brachte meine Quelle dazu, sich schmerzhaft zusammenzuziehen,
doch das ignorierte ich, während ich die Feder auf das grobe Papier setzte. Ich
schrieb nieder, was ich auf die Schnelle zusammenfassen konnte. An den Schluss
meiner Ausführungen setzte ich folgenden Satz:
    Und dies ist nun die wahre Geschichte der Jungfrau, die dazu
bestimmt ist, niemals gefunden zu werden. Wir, die Ritter der Zeit, werden über
sie wachen, bis sie ihr natürliches Leben aushaucht, und nie werden wir
vergessen die Peiniger, denen sie entkommen ist …
    »Du solltest die Chronik gut verwahren«, riet mir Sayd, als er
sich neben mich hockte. »Niemand darf erfahren, was wirklich geschehen ist.«
    »Keine Sorge, so, wie die anderen Chroniken nicht gefunden werden,
bleibt auch diese unter Verschluss.« Ich schloss den Buchdeckel und sah ihn an.
»Also reiten wir wirklich nach Hause?«
    »In unsere Ordensburg, ja. Ich bin die Kälte leid und habe den
französischen König gründlich satt.«
    »Und was ist mit den Menschen hier?«
    »Sie werden den Frieden bekommen, den sie brauchen. Mit der
Verbrennung der Jungfrau werden die Engländer das Gegenteil von dem erreichen,
was sie anstrebten. Die Franzosen werden sie weiter verehren, noch mehr als
zuvor. Und das wird ihnen schließlich den Sieg bringen.«
    »Hast du das in deiner Vision gesehen?«
    Sayd zauste mir durch die stoppeligen Haare. »Das brauche ich
nicht, ich weiß es auch so.«
    Ich blickte hinüber zu dem schmalen Mädchenkörper, der unter einer
rauen Decke lag. Nie würde sie in ihre Heimat zurückkehren können, niemals ihre
Eltern
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