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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus
Autoren: Kai Meyer
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nachsichtig. »Wie ich sehe, hat sich die Jugend solidarisiert.«
    »Vielleicht war es wirklich ein Fehler«, sagte Coralina.
    Das Lächeln der Shuvani wurde breiter.
    Jupiter runzelte die Stirn. »Nein. Es war richtig, den Fund zu melden. Noch war es nicht zu spät.«
    Die Shuvani schüttelte in einem Anflug von Resignation den Kopf.
    »Mein Gott, Jupiter! Wie … vernünftig du in den vergangenen zwei Jahren geworden bist! Fast ein wenig langweilig.« Er wollte widersprechen, aber sie legte den Zeigefinger an ihre Lippen und bedeutete ihm zu schweigen. »Ich hätte mir gewünscht, daß du damals ein wenig mehr Vernunft bewiesen hättest, als du mit Miwaka bei mir warst.« Sie hatte Miwa immer bei ihrem vollen Namen genannt; nur einer von vielen kleinen Hinweisen, wie wenig sie Miwa schon damals gemocht hatte.
    »Laß sie aus dem Spiel, ja?« Er sprach eine Spur zu schnell, zu defensiv.
    »Ich hab dir schon damals gesagt, daß sie ein falsches Spiel treibt. Diese kleine japanische Schlange hat dich von Anfang an für ihre Zwecke ausgenutzt. Sie hat dich ausgesaugt, und jeder, der dich kannte, mußte tatenlos zuschauen.«
    Jupiter flüchtete sich in ein fahles Lächeln. »Du warst nicht tatenlos.«
    »Ich hab nur versucht, dich zu warnen«, gab sie zurück und ließ ihre Goldzähne blitzen. »Ohne Erfolg. Und, um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, daß du deine Lektion begriffen hast. Du hängst immer noch an ihr. Wie ein Hund, den irgendwer an der Autobahn ausgesetzt hat.«
    »Besten Dank«, erwiderte er mißmutig. »Ich weiß das Feingefühl, mit dem du dich in andere hineinversetzt, zu schätzen.«
    Coralina nippte zum ersten Mal an ihrem Rotwein. »Wie lange wart ihr beiden zusammen, du und Miwa?«
    »Nicht ganz drei Jahre.« »Er war vielleicht mit ihr zusammen«, korrigierte die Shuvani kühl, »aber sie nicht mit ihm.«
    »Okay, das reicht jetzt«, sagte er leise.
    Die Shuvani wollte das Thema fortsetzen, aber Coralina kam Jupiter zu Hilfe. »Trinkst du keinen Rotwein?« Fragend deutete sie auf sein Glas, das er bislang noch nicht angerührt hatte.
    »Ich bin Allergiker.«
    »Ausgerechnet auf Rotwein?« Coralina kicherte. »Das ist grausam.«
    Die Shuvani sprang auf. »Meine Güte, wie konnte ich das vergessen!« Ehe Jupiter sie zurückhalten konnte, verschwand sie im Haus, mit jenem sonderbaren Watschelgang, der vielen beleibten, älteren Frauen zu eigen ist. »Ich hab noch Frascati im Kühlschrank«, rief sie über die Schulter nach draußen.
    Coralina nahm Jupiters Glas und leerte es in einen Blumenkübel.
    »Was passiert, wenn du das trinkst?«
    »Roter Ausschlag, schuppige Haut. Und Juckreiz, der einen fast wahnsinnig macht.«
    »Nur bei Rotwein?«
    Jupiter nickte und klopfte dreimal auf die Tischplatte. »Bisher.«
    Die Shuvani kehrte aus der Küche zurück und stellte eine offene Karaffe mit Weißwein auf den Tisch, dazu ein frisches Glas.
    Jupiter füllte es bis zur Hälfte. »Coralina hat mir erzählt, daß der Laden nicht gut geht.«
    »Ach, eine traurige Sache«, seufzte die Shuvani. »Ich sollte lieber kleine Legionäre aus Plastik und Postkarten mit albernen Wackelbildern an die Touristen verkaufen.
    Dann würde es uns bessergehen.«
    Und nicht ohne Führerschein Fußgängerinnen überfahren, dachte Jupiter.
    Vorhin, bevor sie hier herauf in den Dachgarten gestiegen waren, hatte er sich nur flüchtig im Geschäft der Shuvani umgeschaut. Seit damals schien sich nichts verändert zu haben. Allein der Geruch beschwor Bilder von ihm und Miwa herauf, als sie zwei Tage lang in den Kisten und Regalen gestöbert hatten.
    Die Shuvani verkaufte Bilder und Bücher, was sie grundsätzlich nicht von ein paar hundert anderen Geschäftsleuten in Rom unterschied. Aber sie hatte sich auf okkulte Kunst spezialisiert, und auf jene Sorte von Büchern, die ihr verstohlene Besuche von bebrillten, übergewichtigen Esoterikerinnen bescherte.
    Der Laden war in den beiden unteren Stockwerken des Hauses untergebracht. Im Erdgeschoß standen die mit Büchern vollgestellten Regalwänden, die das kleine Geschäft in einen engen, schlecht beleuchteten Irrgarten verwandelten. Darüber, im ersten Stock, lagerten Zeichnungen, Stiche, Aquarelle, Drucke … alles, was sich in Kladden und Kästen aufbewahren ließ. Das Geschäft der Shuvani war keine Galerie, in der man die Werke an großzügig ausgeleuchteten Wänden betrachten konnte. Wer hierher kam, mußte viel Zeit mitbringen, um sich durch Stapel und Mappen zu kämpfen, bis er,
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