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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten
Autoren: Julian Lees
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eine Tasse öligen Schlamm trinken.«
    Sum Sum gab die Geschichte zum Besten, wie sie in England stinkenden Käse gegessen hatte. Mabel musste darüber herzhaft lachen. Und zum ersten Mal wurde Lu See bewusst, wie ähnlich sich die beiden sahen, wie sehr sich ihr Lächeln glich, das bei beiden ein klein wenig schief war.
    »He, du noch immer malst?«, fragte Sum Sum Lu See.
    »Ach, ja, das hätte ich fast vergessen.«
    Sie streckte die Hand aus und öffnete den Reißverschluss ihrer Malmappe. Dann nahm sie ein Porträt von Mabel nach dem anderen heraus – Acryl, Aquarell, hin und wieder Öl.
    »Du musst wissen, dass wir vor vielen Jahren unser großes Haus, Tamarind Hill, aufgeben mussten. Ich war gezwungen, viele Dinge zurückzulassen. Aber das hier habe ich gerettet. Diese Bilder habe ich sicher im Schließfach einer Bank verwahrt. Sie sind mein Leben.« Sie gab sie Sum Sum. »Und das ist auch der Grund, warum ich sie dir jetzt schenke.«
    »Beim Dharmakaya-Himmel, sie einfach wundervoll!« Sum Sum schnalzte mit der Zunge, um auszudrücken, wie schön sie die Bilder fand.
    »Es gibt eines für beinahe jedes Jahr in Mabels Leben. Sie zeigen, wie sie heranwächst.«
    Es ist eine Art bebildertes Tagebuch der Zeit, die du nicht miterleben durftest.
    »Schau, das ist das erste Porträt, das ich von Mabel gezeichnet habe. Eine Bleistiftskizze, als sie noch keine drei Monate alt war. Die Zeichnung ist an Bord des Schiffes entstanden, mit dem ich damals aus England zurückkehrte.«
    Mabel und Sum Sum beugten sich über das Porträt, hielten es wie eine Verbindungsschnur zwischen sich.
    » Aiyoo sami! Was für komisch klein Nase du hattest!«
    In Mabels Augen stand jetzt die unbändige Freude eines Kindes. »Ich? Das sagst ausgerechnet du? Die habe ich doch von dir geerbt!«
    Sie brachen in ein fröhliches Gelächter aus, das sie wie eine schützende Hülle umgab.
    Lu See entschuldigte sich schon bald darauf und zog sich zurück. Wenn ihre Bauchschmerzen zu heftig wurden, verspürte sie stets das Bedürfnis, allein zu sein. Sie suchte sich ein kleines Zimmer und setzte sich an einem schmalen Fenster in ein goldenes Rechteck aus Licht. Mit den Händen auf ihren Bauch schnappte sie nach Luft. Sie saß da und spürte, wie ihr kalter Schweiß auf die Stirn trat.
    »Es dir nicht gut geht?«
    Lu See blickte auf und sah Tormam in der Tür stehen. Die schüchterne Nonne betrat das kleine Zimmer und legte Lu See tröstend die Hand auf den Rücken. Lu See beschrieb ihre Symptome, erzählte ihr von den Rückschlägen, die sie hatte hinnehmen müssen, und der entmutigenden Suche nach einer Behandlungsmöglichkeit.
    Tormams Hand wanderte zu Lu See Bauch. Ihre Handfläche beschrieb langsame, kreisende Bewegungen. Es fühlte sich warm und beruhigend an.
    »Wir uns später setzen zusammen und sprechen nicht nur über äußere, auch über innere Beschwerden. Zuerst ich dich bereiten ein kühlendes Arznei, das gut für Verdauung. Hier gibt viele Kräuter, die sehr nützlich sein«, sagte sie mit beruhigender Stimme. »Viele, viele Kräuter.«
    »Glaubst du, ihr könnt mir helfen?«
    Tormams Stimme war wie Balsam auf ihrer Seele. »Gibt keine unheilbaren Krankheiten, nur unheilbare Menschen. Wenn dein Verstand bereit, dann wir dir heilen werden.«
    Sie drückte Lu See eine Schnur mit Gebetsperlen in die Hand.
    Lu See schloss die Augen.
    Draußen zogen weiße Wolkenfahnen über den Himmel. Die Sonne ließ den glänzenden Flügel eines Gebirgsvogels aufblitzen.
    Lu See öffnete die Augen und blickte durch das schmale Fenster. Sie sah Sum Sum und Mabel Hand in Hand über den Rasen schlendern. Die beiden lachten noch immer.
    Vor langer Zeit hatte Zweite Tante Doris Lu See einmal gesagt, dass das Leben nicht aus Tagen, Wochen oder Jahren bestehe, sondern aus Augenblicken.
    Dies war einer dieser Augenblicke.
    Vergiss niemals, einen grünen Baum in deinem Herzen zu bewahren, dann wird ihm ein kalter Wind vielleicht nichts anhaben.
    Lu See lächelte.
    Die Gebetsperlen schimmerten wie Kugeln aus schwarzem Honig in ihrer Hand. Sie spürte ein warmes Gefühl des Wohlbehagens in ihrem Inneren aufsteigen. Sie bereute nichts.
    Ihre Augen wurden hell und feucht, so als würde die Sonne durch den Frühlingsregen scheinen. Nachdem sie jahrelang nur noch die Hälfte eines Ganzen gewesen war, war sie jetzt endlich wieder eins. Voll, rund und in einem Stück.

Danksagung
    Ich möchte meiner Frau Ming und meinen Kindern Gus, Amber und Aisha dafür danken, dass
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