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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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um eine grobe Positionsbestimmung vorzunehmen.
    Früher oder später würde ich wissen, wo ich mich befand, auch wenn die Positionsbestimmung nicht aufgrund irgendwelcher nahe gelegener Orientierungspunkte erfolgte. Schließlich befand ich mich immer noch innerhalb der lokalen Gruppe. Ich wies die Bummelant an, die Milchstraße und andere Galaxien der lokalen Gruppe zu lokalisieren und daraus unsere gegenwärtige Position abzuleiten. Die Fehlergrenze durfte ruhig ein paar tausend Lichtjahre in jede Richtung betragen. Ich wollte lediglich wissen, in welchem Spiralarm ich mich befand.
    Die Bummelant machte sich an die Arbeit. Während ich auf das Ergebnis wartete, schaute ich mich in der näheren Umgebung um. Hesperus und die Silberschwingen waren nicht zu sehen. Ich wusste nicht, ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war – immerhin war es besser, als wenn ich ein Schiffswrack vorgefunden hätte. Ich versuchte es mit einem Rundumfunkspruch, doch selbst nach hundert Stunden war noch immer keine Antwort eingetroffen. Abgesehen vom sinnlosen Knattern und Pfeifen der Radiostrahlung der Quasare herrschte absolute Funkstille. In der Galaxis, aus der ich stammte, herrschte ein ständiges Stimmengewirr. Das hier war ein Mausoleum.
    Die Bummelant rechnete noch immer.
    Hinter mir lag ein Planet, der sich mit einem Drittel Lichtgeschwindigkeit entfernte. Der Planet hatte keine Sonne – entweder hatte man ihn absichtlich in den interstellaren Raum befördert, oder er war durch eine gravitative Störung aus seinem Sonnensystem herausgeschleudert worden. Der Planet besaß keine Lufthülle, war von Kratern übersät und wurde allein vom Sternenlicht erhellt, doch in seinem Orbit kreiste etwas: eine Verzerrung des Raumgefüges, die offene Mündung des Wurmlochs, das mich hierher befördert hatte. Die Maschinerie der Früheren, welche den Tunnel offen hielt, war so unglaublich hochentwickelt, dass sie sich außerhalb der sichtbaren Dimensionen des makroskopischen Raums befand. Ich wies die Bummelant an, die Bahn des Planeten genau zu bestimmen, damit ich ihn jederzeit wiederfinden konnte. Dann fragte ich an, weshalb es so lange dauere, die Position der lokalen Gruppe zu berechnen.
    Die Bummelant antwortete, sie habe Mühe, die Galaxis zu finden, in der ich geboren sei. In der Richtung, in der sie liegen sollte (basierend auf den mutmaßlichen Positionen der anderen Galaxien in der Gruppe), befände sich ein schwarzes Oval, umgeben von ein paar vereinzelten Sternen.
    Eine zweite Absenz.
    Ich hatte das Gefühl, man habe mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Noch ganz benommen von den Implikationen dieser Entdeckung sagte ich der Bummelant , sie solle davon ausgehen, dass die zweite Absenz mit der alten Galaxis identisch sei, und auf dieser Grundlage eine Positionsbestimmung vornehmen. Diesmal dauerte es weniger lang.
    Ich befand mich in der Andromeda-Galaxis. Meine Position lag in einem definierten Raumvolumen mit tausend Lichtjahren Kantenlänge. Jetzt vermochte die Bummelant sogar einige Orientierungspunkte zu identifizieren. Sechstausend Lichtjahre in Richtung des galaktischen Zentrums lag eine Sternenbrutstätte, die noch immer Sonnen und Welten hervorbrachte und dem Datenspeicher bekannt war. Dreißigtausend Lichtjahre weiter fand sich ein U-Geminorum-Stern, ein Vetter des Veränderlichen SS433 aus unserer Heimatgalaxis.
    Ich hatte Mühe zu begreifen, weshalb alles so vertraut aussah. Wohin ich auch blickte, überall sah ich ganz normal wirkende Sterne, die ganz gewöhnliche Konstellationen bildeten und normalen Umlaufbahnen folgten. Jenseits der Sterne konnte ich Kugelsternhaufen erkennen, Satellitengalaxien Andromedas und weitere, fernere Galaxien. Ich konnte bis hinter die lokale Gruppe blicken, bis in die karge Unendlichkeit des lokalen Clusters. Und jenseits des lokalen Clusters erstreckte sich die gewaltige Struktur der Schöpfung – galaktische Leere und galaktische Supercluster. Jenseits des am weitesten entfernten Superclusters erscholl das Trillern der stark rotverschobenen Quasare und das Zischeln der kosmischen Hintergrundstrahlung. Alles war so, wie es sein sollte.
    Von der Absenz war nichts zu sehen. Kein schwarzer Nebel, der alles einhüllte. Kein schwarzer Vorhang, der die Galaxis vom Rest des Universums abschirmte.
    Da wusste ich, dass alle unsere Annahmen über die Absenz falsch gewesen waren. Sie war nicht das, was wir darin gesehen hatten. Offenbar hatten wir uns auch im Hinblick auf die
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