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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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andere Sonne gekreist, in einer ganz anderen Gegend dieser unbewohnten Galaxis. Ich fragte mich, wem er wohl diese üppige biologische Fruchtbarkeit zu verdanken haben mochte und ob deren Alter nach Millionen oder Milliarden Jahren zählte.
    Der Ursprung des gentianischen Funksignals ließ sich lediglich bis auf mehrere Quadratkilometer genau eingrenzen – es schien so, als stammte es von einem Sender dieser Größe, auch wenn dort keine Maschinerie auszumachen war. Ich bremste die Bummelant bis auf eine Geschwindigkeit von weniger als einem Kilometer pro Sekunde ab und suchte das fragliche Gebiet nach Strukturen ab, die vom Weltraum aus nicht sichtbar waren. Das Pflanzenwachstum war hier spärlicher, und es wechselten sich flache Felsenplateaus miteinander ab, durchzogen von tiefen Schluchten. Die steilwandigen Plateaus ragten aus dichtem, dunklem Dschungel auf, doch die Seiten waren felsig und vegetationsfrei. Einige wiesen kleine Ökosysteme auf, die von Regenreservoirs gewässert wurden, die schmale, von Regenbogen überspannte Wasserfälle speisten. Andere waren trocken und wirkten unbelebt. Soweit sich das feststellen ließ, stammte das gentianische Funksignal von einem dieser vegetationsfreien Plateaus.
    Ich brachte die Bummelant einhundert Meter über der glatten Oberfläche der Formation zum Halten. Mein Schiff war zu groß, um zu landen; es hätte in Besorgnis erregendem Maße über den Rand hinausgeragt. Da ich dem Urteil des Schiffes vertraute, wonach die Atmosphäre keine gefährlichen Stoffe enthielt, die mich töten oder mir irreversibel schaden könnten, senkte ich eine Rampe ab und schritt in meiner gentianischen Trauerkleidung hinunter. Als ich auf festem Boden stand, fuhr die Bummelant die Rampe wieder ein und stieg so weit empor, bis sie nur noch ein handtellergroßer Fleck am Himmel war. Der Wind war warm und wohlriechend. Die Luft war voller Pollen und Mikroorganismen und beanspruchte uralte Abwehrkräfte meines Körpers. Ich wischte mir mit dem Ärmel die Nase und näherte mich dem Rand des Plateaus, bis meine Fußspitzen nur noch einen Schritt vom Abgrund entfernt waren. Das Plateau endete in einem bröckligen Überhang. Ich dachte an Mieres langen Sturz. Die Schlucht war tief, und wenn ich das Gleichgewicht verlor, würde die Bummelant nicht schnell genug reagieren können. Als der heiße Wind die Richtung wechselte und mich zum Rand zu drücken drohte, wich ich etwas würdelos einen Schritt zurück.
    »Setz dich zu mir, Campion.«
    Die Stimme erschreckte mich aus zwei Gründen; erstens hatte ich nicht mit Gesellschaft gerechnet, und zweitens hatte ich nicht erwartet, eine mir unbekannte menschliche Stimme zu vernehmen, die Trans sprach. Hesperus war es nicht; und auch nicht Portula. Ganz langsam drehte ich mich um, denn der Sprecher hatte sich mir von hinten genähert, obwohl ich mich auf dem Plateau allein gewähnt hatte. Ich war froh, dass ich keine Energiepistole dabeihatte, denn sonst hätte ich bestimmt reflexhaft gefeuert.
    Es war ein Mensch und doch kein Mensch. Eine Gestalt näherte sich mir in entspannter, unbedrohlicher Haltung, den einen Arm grüßend erhoben. Im Gehen verfestigte sie sich zusehends. Dann bemerkte ich, dass sie aus zahllosen Glaskugeln bestand, die etwa so groß waren wie die Murmeln, mit denen ich gespielt hatte, als ich noch Abigail gewesen war. Die Murmeln kamen aus allen Richtungen herangeflogen und fügten sich zu der Gestalt eines gehenden Menschen. Bis dahin hatten sie in der Luft geschwebt und vermutlich das Funksignal ausgesendet. Ein Maschinenaggregat, dem Luftgeist ganz ähnlich.
    »Wer bist du?«, fragte ich.
    »Setz dich zu mir«, wiederholte die Gestalt. Sie ging zur Felskante, setzte sich und ließ die Beine über den Rand baumeln. Sie hatte sich ein paar Meter links von mir gesetzt. Mit einer Hand aus Murmeln klopfte sie auf den Felsboden, was ein leises Klingeln hervorrief, das mich ermutigte, der Aufforderung nachzukommen. »Nur zu«, sagte sie beiläufig und einladend, obwohl der allzu menschlichen, allzu onkelhaften Stimme etwas eigen war, das es mir nahelegte, ihr nicht zu widersprechen. »Es ist ja nicht so, als hättest du etwas Besseres vor, nicht wahr, Splitterling?«
    Der Glasmensch hatte Recht. Ich war hierher gekommen, um nach Portula und nach Antworten zu suchen. Da Portula nicht da war, musste ich mich halt mit den Antworten begnügen. Vorsichtig ließ ich mich auf den Boden hinab und ließ die Beine baumeln, wobei ich mir bewusst
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