Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus auf den Klippen

Das Haus auf den Klippen

Titel: Das Haus auf den Klippen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
sie fröhlich. »Hast
du ein Haus für uns gefunden?«
Er überging die Frage. »Hallo, Schätzchen. Wie fühlst du
dich? Wie geht’s dem Baby?«
Menley hielt einen Moment inne. Sie wußte, daß sie ihm seine
Besorgtheit eigentlich nicht übelnehmen konnte, trotzdem konnte sie es sich nicht verkneifen, ihn ein wenig zu frotzeln. »Mir
geht’s bestens, aber nach Hannah hab ich ehrlich nicht mehr
geschaut, seit du heute morgen weg bist«, erzählte sie ihm.
»Warte einen Moment, und ich schau mal nach.«
»Menley!«
»Tut mir leid«, sagte sie, »aber, Adam, es liegt daran, wie du
fragst; es klingt schon so, als wartest du geradezu auf schlechte
Neuigkeiten.«
»Mea culpa«, erwiderte er reumütig. »Ich liebe euch einfach
beide so. Ich will, daß alles in Ordnung ist. Ich bin mit Elaine
zusammen. Wir haben ein tolles Haus bekommen: ein beinahe
dreihundert Jahre altes Kapitänshaus auf Morris Island in Chatham. Die Lage ist herrlich, ein Steilufer mit Blick aufs Meer. Es
wird dir unwahrscheinlich gut gefallen. Es hat sogar einen Namen, Remember House. Ich erzähl dir dann alles drüber, wenn
ich wieder da bin. Ich mach mich nach dem Abendessen auf die
Heimfahrt.«
»Das ist eine Fahrt von fünf Stunden«, warf Menley ein, »und
du hast sie heute schon einmal gemacht. Warum übernachtest du
nicht dort und fährst ganz in der Früh los?«
»Ist mir egal, wie spät es ist. Ich will heute nacht mit dir und
Hannah Zusammensein. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch«, sagte Menley inbrünstig.
Nachdem sie sich verabschiedet hatten, legte sie den Hörer
auf und flüsterte vor sich hin: »Ich hoffe bloß, daß der wahre
Grund für die eilige Heimfahrt nicht der ist, daß du Angst hast,
mich mit der Kleinen allein zu lassen.«
31. Juli
4

H
    enry Sprague hielt seine Frau an der Hand, als sie gemeinsam am Strand entlanggingen. Die späte Nachmittagssonne verschwand immer wieder hinter Wolken, und er
war froh, daß er Phoebe den warmen Schal gut um den Kopf
gebunden hatte. Er sann darüber nach, wie der herannahende
Abend die Landschaft völlig anders erscheinen ließ. Ohne die
Badebesucher schien das Panorama von Sand und kühler werdender Brandung wieder zu einer Urharmonie mit der Natur
zurückzufinden.
    Er schaute Seemöwen zu, die am Rand des Wassers herumhüpften. Muschelschalen in zarten Tönen von Grau und Rosa
und Weiß lagen auf dem feuchten Sand in Haufen beieinander.
Hier und da fiel sein Blick auf ein Stück Treibgut. Jahre zuvor
hatte er einen Rettungsring der Andrea Doria entdeckt, der an
dieser Stelle an Land gespült worden war.
    Es war die Tageszeit, die er und Phoebe schon immer am
meisten genossen. Genau hier am Strand hatte er vor vier Jahren
zum erstenmal die Symptome von Vergeßlichkeit an ihr bemerkt. Jetzt aber mußte er, so schwer es ihm fiel, einsehen, daß
er nicht mehr lange in der Lage sein würde, sie zu Hause zu behalten. Man hatte ihr das Medikament Tacrine verschrieben, und
manchmal schien sie echte Fortschritte zu machen, doch neuerdings war sie mehrere Male aus dem Haus geschlüpft, während
er ihr gerade den Rücken zukehrte. Neulich erst hatte er sie in
der Dämmerung am Strand gefunden, bis zur Taille im Meer.
Gerade, als er auf sie zulief, hatte eine Welle sie umgeworfen.
Völlig orientierungslos, wie sie war, wäre sie innerhalb von Sekunden ertrunken.
    Wir haben sechsundvierzig gute Jahre gehabt, sagte er sich.
Ich kann sie in dem Pflegeheim jeden Tag besuchen. Es wird so
zum Besten sein. Er wußte, daß dies alles stimmte, und doch
war es so schwer. Sie stapfte neben ihm her, ruhig und in ihre
eigene Welt versunken. Dr. Phoebe Cummings Sprague, ordentliche Professorin für Geschichte an der Harvard University –
und sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie man sich ein
Halstuch umbindet oder ob sie gerade gefrühstückt hatte.
    Er begriff, wo sie waren, und schaute auf. Hinter der Düne
auf der Anhöhe oben zeichnete sich das Haus gegen den Horizont ab. Es hatte ihn immer an einen Adler erinnert, wie es da
auf dem Hochufer saß, losgelöst und wachsam. »Phoebe«, sagte er.
    Sie wandte sich um und starrte ihn mit gerunzelter Stirn an.
Das Stirnrunzeln geschah inzwischen automatisch. Es hatte seinen Anfang genommen, als sie noch verzweifelt versuchte, nicht
den Eindruck aufkommen zu lassen, sie sei vergeßlich.
    Er zeigte auf das Haus über ihnen. »Ich hab dir erzählt, daß
Adam Nichols sich hier mit seiner Frau Menley und ihrem neuen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher