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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
Autoren: Donald Ray Pollock
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klapperten nicht mehr. Arvin hörte jetzt auch wieder anderes, leise Alltagsgeräusche, die aus der Senke aufstiegen: eine Fliegentür klappte zu, Kinder kreischten, ein Rasenmäher brummte. Dann unterbrachen die Zikaden ihr Sirren für einen Augenblick und Arvin schlug die Augen auf. Er drehte den Kopf ein wenig zur Seite und glaubte, ein Geräusch hinter sich zu hören, ein trockenes Blatt, das unter einem Schuh zerkrümelte, oder ein weicher Ast, der zerbrach. Er war sich nicht sicher. Als die Zikaden wieder einsetzten, griff er nach der Waffe auf dem Baumstamm. Geduckt umrundete er ein Gestrüpp aus Wildrosen links von der Lichtung und ging den Hügel hinauf. Er war zehn, zwölf Meter weit gekommen, als ihm einfiel, dass seine Sporttasche noch neben dem Gebetsbaum stand. Doch nun war es zu spät.
    »Arvin Russell?« hörte er eine Stimme laut rufen. Er kauerte sich hinter einen Hickorybaum, stand langsam auf, hielt die Luft an, linste um den Baumstamm herum und entdeckte Bodecker mit der Schrotflinte in der Hand. Erst sah er nur ein Stück von dem braunen Hemd und die Stiefel. Dann ging der Sheriff ein Stück weiter, und Arvin konnte das rote Gesicht erkennen. »Arvin? Ich bin’s, Sheriff Bodecker. Ich will dir nichts tun, versprochen. Ich muss dir nur ein paar Fragen stellen.« Arvin sah, wie er ausspuckte und sich Schweiß aus dem Gesicht wischte. Bodecker ging weiter voran, ein Birkhuhn schreckte aus seinem Versteck auf und flatterte wild über die Lichtung. Bodecker riss die Flinte hoch und feuerte, dann lud er schnell nach. »Verdammt, Junge, tut mir leid«, rief er. »Der verdammte Vogel hat mich erschreckt. Jetzt komm raus und lass uns reden.« Er schlich weiter und blieb am Rand der überwucherten Lichtung stehen. Bodecker entdeckte die Sporttasche und den gerahmten Jesus am Kreuz. Vielleicht ist der Mistkerl wirklich verrückt, dachte er. Im Dämmerlicht des Waldes konnte er immer noch ein paar Knochen an Drähten baumeln sehen. »Ich hab mir schon gedacht, dass du hierher kommen würdest. Weißt du noch, die Nacht, als du mich hergeführt hast? Das war eine schlimme Sache, die dein Dad da gemacht hat.«
    Arvin entsicherte die Luger und nahm ein Stück totes Holz vom Boden auf. Er warf es durch eine Öffnung zwischen den Ästen. Als es von einem Ast unterhalb des Gebetsbaumes abprallte, feuerte Bodecker zwei Mal schnell hintereinander. Wieder lud er nach. Fetzen von Blättern und Rinde segelten durch die Luft. »Verdammt, Junge, mach keinen Scheiß«, rief er. Er wirbelte herum, sah wie wild in alle Richtungen und ging dann auf den Baumstamm zu.
    Arvin trat hinter ihm leise auf den Pfad. »Legen Sie lieber die Waffe weg, Sheriff«, sagte der Junge. »Ich habe Sie im Visier.«
    Bodecker erstarrte mitten im Schritt, dann senkte er vorsichtig den Fuß auf den Boden. Er schaute auf die offene Sporttasche und entdeckte ein Exemplar der
Meade Gazette
, die oben auf einer Jeans lag. Sein Foto auf der Titelseite starrte ihn an. Dem Klang der Stimme nach zu urteilen, war der Junge direkt hinter ihm, vielleicht sechs Meter entfernt. Bodecker hatte noch zwei Patronen in seiner Schrotflinte. Gegen eine Pistole standen seine Chancen ziemlich gut. »Junge, du weißt doch, dass ich das nicht tun kann. Verdammt, das ist eine der ersten Regeln, die man in der Polizeischule lernt. Man legt niemals seine Waffe ab.«
    »Ich kann nichts für das, was man Ihnen beigebracht hat«, erwiderte Arvin. »Legen Sie sie auf den Boden und gehen Sie ein paar Schritte zur Seite.« Er konnte spüren, wie ihm das Herz gegen das Hemd pochte. Plötzlich schien alle Feuchtigkeit aus der Luft gewichen zu sein.
    »Was? Damit du mich umlegen kannst wie meine Schwester und diesen Prediger in West Virginia?«
    Arvins Hand zitterte ein wenig, als er hörte, wie der Sheriff Teagardin erwähnte. Er dachte kurz nach. »Ich habe ein Foto in der Tasche, auf dem Ihre Schwester einen toten Mann umarmt. Sie lassen die Waffe fallen, und ich zeige es Ihnen.« Er merkte, wie der Sheriff den Rücken steif machte, und umfasste die Luger fester.
    »Du kleines Arschloch«, sagte Bodecker leise. Wieder sah er sein Konterfei in der Zeitung. Es war kurz nach der Wahl aufgenommen worden, als man ihn darauf eingeschworen hatte, das Gesetz zu vertreten. Beinahe musste er lachen. Dann hob er die Ithaca und wirbelte herum. Arvin drückte ab.
    Bodeckers Waffe ging los, und der Schrot riss ein großes Loch in die Wildrosen rechts von Arvin. Der Junge zuckte zusammen und
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