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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
Autoren: Donald Ray Pollock
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schon seit fast zwei Jahren Deputy gewesen, und weil ihre Mutter endlich zugestimmt hatte, dass Sandy die Schule sausen ließ, arbeitete sie Vollzeit im
Wooden Spoon
. Nach allem, was er mitbekam, trug der Job nur wenig dazu bei, sie aus ihrem Schneckenhaus herauszuholen; sie wirkte so scheu und verloren wie immer. Allerdings hatte er gerüchteweise von ein paar Typen gehört, die sie nach Arbeitsschluss für einen Quickie ins Auto lockten und dann mitten in den Wäldern wieder rauswarfen, sodass sie sich ihren Weg nach Haus allein suchen musste. Jedes Mal, wenn er im Diner vorbeischaute, um zu sehen, wie es ihr ging, wartete er darauf, dass sie ihm einen der Mistkerle nannte. Und das hatte sie an jenem Tag wohl auch getan, doch handelte es sich dabei um jemanden, mit dem er nicht gerechnet hatte.
    Es war ein All-you-can-eat-Fischtag. »Bin gleich wieder da«, hatte Sandy zu ihm gesagt und war mit einem weiteren übervollen Teller Rotbarsch für Doc Leedom vorbeigeeilt. »Ich muss dir was sagen.« Der Fußdoktor kam jeden Freitag vorbei und versuchte, sich mit Backfisch umzubringen. Nur zu diesen Gelegenheiten tauchte er im Diner auf.
All you can eat
, sagte er oft zu seinen Patienten, sei die dümmste Idee, auf die ein Restaurantbesitzer kommen könne.
    Sandy schnappte sich die Kaffeekanne und schenkte Bodecker eine Tasse ein. »Für den fetten alten Mistkerl laufe ich mir noch die Hacken ab«, flüsterte sie.
    Bodecker drehte sich um und sah, wie der Arzt sich ein großes Stück panierten Fisch in den Mund stopfte und es herunterschluckte. »Ach herrje, er kaut ja noch nicht mal, oder?«
    »Und das kann er den ganzen verdammten Tag lang«, sagte sie.
    »Und, was gibt’s?«
    Sie schob sich eine Haarlocke nach hinten. »Na ja, ich dachte, ich erzähl’s dir lieber selbst, bevor du es von anderen erfährst.«
    Das war’s, dachte er, die hat einen Braten im Ofen – noch mehr Sorgen für sein Magengeschwür. Wahrscheinlich wusste sie noch nicht mal, wie der Vater hieß. »Du bist doch nicht in Schwierigkeiten, oder?«
    »Was? Schwanger, meinst du?« Sandy zündete sich eine Zigarette an. »Himmel, Lee. Du kannst auch keine Ruhe geben.«
    »Okay, was ist es dann?«
    Sie blies einen Rauchring über seinen Kopf und zwinkerte. »Ich bin verlobt.«
    »Du meinst, du willst heiraten?«
    »Ja«, sagte sie und lachte kurz auf. »Gibt es noch eine andere Art von verlobt?«
    »Da brat mir doch einer ’nen Storch. Wie heißt er?«
    »Carl. Carl Henderson.«
    »Henderson«, wiederholte Bodecker und goss sich aus einem kleinen Metallkännchen Sahne in den Kaffee. »Einer von denen, die mit dir in der Schule waren?«
    »Ach Scheiße, Lee«, entgegnete sie, »die sind doch halb verblödet, das weißt du genau. Carl stammt noch nicht mal aus der Gegend. Er ist im Süden von Columbus aufgewachsen.«
    »Und was macht er so? Für den Lebensunterhalt, meine ich.«
    »Er ist Fotograf.«
    »Ach, er hat also ein Fotoatelier?«
    Sandy drückte die Kippe im Aschenbecher aus und schüttelte den Kopf. »Noch nicht«, sagte sie. »So was gibt es nicht umsonst.«
    »Und womit verdient er dann sein Geld?«
    Sie rollte mit den Augen und seufzte. »Keine Sorge, er kommt schon durch.«
    »Mit anderen Worten, er arbeitet nicht.«
    »Ich hab seine Kamera und das alles gesehen.«
    »Scheiße, Sandy, Florence hat auch eine Kamera, aber ich würde sie nicht gerade als Fotografin bezeichnen.« Er sah in die Küche, wo der Grillkoch am offenen Kühlschrank stand, das T-Shirt hochzog und versuchte, sich ein wenig abzukühlen. Bodecker ertappte sich bei dem Gedanken, ob Henry Sandy wohl jemals gevögelt hatte. Man erzählte sich, dass er behaart sei wie ein Shetlandpony. »Wo zum Teufel hast du den Kerl kennengelernt?«
    »Gleich da vorn«, antwortete Sandy und wies auf einen Tisch in der Ecke.
    »Und wann?«
    »Letzte Woche«, hatte Sandy gesagt. »Keine Sorge, Lee. Er ist ein netter Kerl.« Nach nicht mal einem Monat waren sie verheiratet gewesen.
    Zwei Stunden später war Bodecker wieder auf dem Revier. Er hatte eine Flasche Whiskey in einer braunen Papiertüte bei sich. Die Schuhschachtel mit den Fotos und die Filmdosen lagen im Kofferraum seines Streifenwagens. Er verschloss die Tür zu seinem Büro und goss sich einen Drink in seine Kaffeetasse. Das war der erste Drink seit über einem Jahr, aber er konnte nicht behaupten, dass er ihn genoss. Gerade als er sich einen zweiten einschenken wollte, rief Florence an. »Ich hab gehört, was passiert ist«,
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