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Das Hagebutten-Mädchen

Das Hagebutten-Mädchen

Titel: Das Hagebutten-Mädchen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Sonntagmorgen dort warst, wie sah es da aus?«
    »Piccobello!«
    »Siehst du, ist mir auch aufgefallen. Man hätte quasi die wenigen Staubkrümel zählen können, die sich noch finden ließen.«
    »Aber er könnte doch einfach… einfach aufgeräumt haben. Es gibt einige Menschen, die so ihre Trauer kompensieren.«
    »Als Glaser und ich mit dem Durchsuchungsbefehl die Wohnung auf den Kopf gestellt haben, da hatte ich aber eher den Eindruck, dass jemand ganz systematisch jeden Winkel unter die Lupe genommen hat. Alles an Ort und Stelle, alle unnötigen Unterlagen aussortiert. Bis auf dieses Buch von Theodor Storni, das nicht alphabetisch geordnet stand, aber dort konnte Minnert das Manuskript auch nicht versteckt haben.«
    »Ach, jetzt verstehe ich. Deine neuerdings in Erscheinung tretende Inspiration sagt dir also, dass Henner Wortreich irgendwann zwischen unserem ersten Besuch am Samstagmittag und am Sonntagmorgen seine Wohnung auf der Suche nach dem Manuskript durchforstet haben könnte.«
    »Genau, und aus diesem Grund wird er nicht in der Mordnacht schon die begehrten Blätter in die Finger bekommen haben. Nach Versicherungspolicen, Testament und all diesem Kram hätte er nicht sofort und in diesem Ausmaß suchen müssen, weil da nichts eilte. Doch das Hagebutten-Mädchen musste er finden, bevor jemand hinter diese Geschichte kam.«
    »Zugegeben, das hört sich stimmig an!« Wencke streckte ihm die Hand entgegen: »Los, Axel Sanders, aufgestanden jetzt. Ich denke, wir sollten Astrid Kreuzfeldt besuchen. Henner Wortreich können wir leider nicht mehr fragen, Gerrit Kreuzfeldt und Seike Hikken können wir auch besser über die betrogene Ehefrau kennen lernen und ansonsten…«
    »Und diesen Bonnhofen?«
    »Den auch.« Dann zog sie ihn in die Senkrechte, er ließ ihre Hand allerdings nicht mehr los, sondern ging oder rannte mit Wencke im Schlepptau durch den weichen Sand in Richtung Strandaufgang.

Montag, 22. März, 9.00 Uhr
    U m neun Uhr – Pünktlichkeit ist eine deutsche Tugend – ging das Handy. Bonnhofen hatte bereits seinen Reisekoffer gepackt. Aus Höflichkeit hatte er sogar die Bettwäsche abgezogen, wo es doch wirklich nett war, dass seine Pensionswirtin ihn noch eine Nacht länger hier hatte schlafen lassen, obwohl die Kollegen von den Norderneyer Döntje-Singers bereits gestern Abend, ziemlich erleichtert, die Insel verlassen hatten. Er würde gleich fliegen, um halb elf ging seine Maschine direkt nach Norderney.
    Gestern Abend. Er hatte sich mehr davon versprochen, noch die Nacht von Sonntag auf Montag hier zu bleiben. Er hatte sich, genau genommen, eine Unterschrift davon versprochen. So dicht davor war er gewesen – der Bürgermeister war mit der Spitze seines Kugelschreibers nur ganz wenige Zentimeter vor dem Vertragspapier gewesen, als die Frauen hereinplatzten und die Sache mit dem toten Schwulen erzählten.
    Danach war das Chaos losgebrochen. Und Bonnhofen hätte nie gedacht, dass sich die Aufregung bis zum Abend nicht mehr legen würde. Das hatte sie leider aber getan: sich nicht gelegt. Die anderen Insulaner waren schon längst abgereist, da standen die Juister noch immer heftig palavernd auf der Wilhelmstraße, am Kurplatz, vor dem Rathaus, an der Post. Haste schon gehört…
    Wie seltsam, dachte Bonnhofen, wie seltsam, dass sich die Sache mit diesen Antiquitäten, die er sich bei der Polizei so frech aus den Fingern gesogen hatte, tatsächlich als zutreffend erwiesen hatte. Fast schon komisch. Von einem Akkordeon war die Rede, von alten Schriftstücken und vergessenen Insel-Legenden. Und dass sie den Minnert deswegen ermordet hätten. Der Wortreich war ja mehr oder minder aus Versehen von einer Polizistenkugel erwischt worden, das war ja kein Mord. Aber alle sagten, dass er seinen homosexuellen Freund auf dem Gewissen hat. Wegen dem Hagebutten- Mädchen, was immer das auch war. So machte die Geschichte die Runde. Und Bonnhofen hörte nur zu und gab nie seinen Senf dazu: Das war besser so. So viel Glück muss der Mensch erst einmal haben, dass ein dringend Tatverdächtiger durchdreht und dann von einem Ordnungshüter umgenietet wird. Obwohl er es ja in Wirklichkeit gar nicht gewesen ist, aber das wusste nur Bonnhofen.
    Bonnhofen hatte also am Sonntagabend in der Spelunke gesessen, sich das Tresengerede angehört, geschwiegen und gewartet, ob der Bürgermeister vielleicht noch aufkreuzen würde. Er hatte im Hotel Friesenhof Bescheid gegeben, dass er in der Kellerkneipe zu finden sei, doch der
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