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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel
Autoren: Claude Cueni
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Schreibtisch stand und offenbar auf eine Order wartete.
    »Ich bin Ihr Zeuge, Docteur Cartier. Sie haben ihn darauf aufmerksam gemacht.«
    Cartier lächelte: »Und es ist immer noch Gott, der entscheidet, ob jemand lebt oder stirbt. Nicht wahr, Dutronc? Wir bemühen uns redlich, aber Gott entscheidet.«
    Dutronc schwieg. Cartier schaute erneut zu ihm auf.
    »Was ist Dutronc? Er ist tot. Akzeptieren Sie das und wenden Sie sich wieder den Lebenden zu. Glauben Sie mir, mir wäre es auch lieber, Law wäre noch am Leben und wir müssten diese beiden Umschläge nicht zum Postamt bringen.«
    »Sein Tod wäre vielleicht zu vermeiden gewesen«, sagte Dutronc leise, ohne Docteur Cartier in die Augen zu sehen.
    »Was reden Sie da?«, fragte Cartier unwirsch. »Wenn Gott gewollt hätte ... Oder wollen Sie etwa andeuten, ich hätte irgendetwas falsch gemacht?«
    »Nein, nein, Docteur Cartier, Sie haben nichts falsch gemacht. Wir alle machen vielleicht etwas falsch.«
    »Wollen Sie Steinoperationen etwa mit Dampfmaschinen durchführen? Oder mit geheimnisvollen Magneten?«, fragte Cartier und lachte verächtlich.
    »Docteur Cartier, seit über zweihundert Jahren ...«
    »So ist es, Monsieur Dutronc! Seit über zweihundert Jahren wird der Steinschnitt in dieser Form praktiziert. Die Menschen leiden an ihren Steinen, einigen wird geholfen, andere sterben. Aber an der Art der Operation hat sich nichts geändert. Weil es nichts zu ändern gibt. Die menschliche Anatomie ändert sich nicht, und die Steine ändern sich nicht. Und deshalb werden die Menschen auch in tausend Jahren den Steinschnitt noch genauso durchführen, wie ich es heute getan habe!«
    »Nein, Docteur Cartier«, entfuhr es dem jungen Dutronc, der sein jugendliches Temperament nicht länger zügeln konnte. »Wir müssen unser Wissen austauschen, Docteur Cartier, mit den Ärzten und Operateuren aus Italien, aus Holland und aus England ...«
    »Hören Sie auf, Dutronc! Wenn ich eins nicht leiden kann, dann Schwärmerei.«
    »Nicht nur das Schwarzpulver verändert Europa. Überall auf der Welt machen die Menschen neue Erfindungen.«
    »Passen Sie auf, was Sie sagen, Dutronc. Man kann einen Muskel auch überdehnen. Dann reißt er!«
    »Haben wir den Muskel überdehnt, weil wir heute nicht mehr in Höhlen hausen und uns von rohem Fleisch ernähren?«
    »Hören Sie, Dutronc, ich weiß, dass es in den Salons in Mode gekommen ist, selbst Kindern und Frauen zuzuhören. Aber Ihnen, Dutronc, Ihnen werde ich nicht länger zuhören. Bringen Sie diese Umschläge zur Post! Und dann nehmen Sie von mir aus gleich die nächste Kutsche nach Amsterdam. Zu Frere Jacques de Beaulieu. Der hat sich von einem Schuhmacher neues Werkzeug für den Steinschnitt herstellen lassen. Von einem Schuhmacher!«, schrie Cartier und drückte Dutronc die beiden Umschläge in die Hand. Dutronc nahm sie an sich und nickte. Er sah ein, dass es sinnlos war, sich weiter mit Cartier zu unterhalten. Er verbeugte sich knapp, drehte sich um und eilte zur Tür.
    »Dutronc!«, rief ihm Cartier nach. Dutronc drehte sich um, und seine langen blonden Haare wirbelten durch die Luft. »Sie wollen Gott spielen, Dutronc! Sie wollen den unsterblichen Menschen schaffen nach dem Ebenbild Gottes, und dafür wird Gott Sie strafen!«
    Dutroncs Augen leuchteten wie beseelt von schwarzer Magie oder von einer großen Liebe: »Ja!«, frohlockte er mit flammender Stimme. »Ja, Docteur Cartier, und die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht, muss ebenfalls neu gestellt werden, und eines Tages wird selbst der Stuhl Ihres Gottes von einem Menschen besetzt sein, und wir werden Menschen erschaffen nach unserem Ebenbild. Und Maschinen werden die Arbeit verrichten, während wir vergnügt durch die Lüfte fliegen und Städte besuchen, die tief unter dem Meeresspiegel liegen.«
    »Fantast!«, brüllte Cartier. »Sie sind ein vom Teufel besessener Fantast! Ein gottverdammter Fantast!«
     

Kapitel II
    Vom Turmzimmer aus beobachteten John Law und die Dienstmagd Janine, wie Madam die Kutsche bestieg und davonfuhr. Schon bald verschwand die Kutsche im morgendlichen Nebel, und man hörte nur noch die schwächer werdenden Hufschläge der Pferde. Janine schloss das Turmfenster, eilte zum alten Wandschrank und riss sich die Kleider vom Leib. John saß rittlings auf einer Truhe vor dem Schrank und beobachtete die junge Frau mit wachsender Begierde. Obwohl sie bereits zwanzig war, war sie nicht viel größer als er. Er beobachtete, wie sie ihren Körper
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