Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel
Autoren: Claude Cueni
Vom Netzwerk:
an.
    Vor dem Haus ließ sich eine Männerstimme vernehmen: »Madam Law!«
    John knöpfte nachlässig seine Hose zu und ging zum Fenster. Draußen war ein Postreiter.
    »Er hat Post aus Paris. Er will sie unserer Frau Mutter aber nur persönlich übergeben«, stammelte William Law. Er war sichtlich nervös und aufgewühlt.
    John stürzte aus dem Zimmer und eilte die Treppen des Turmzimmers hinunter.
    Janine und William standen oben am Fenster und beobachteten, wie John aus dem Haus gelaufen kam. Der Postreiter war von seinem verschwitzten Rappen abgestiegen. John lief ihm entgegen.
    »Ich habe Post für Madam Law«, sagte der Mann.
    John streckte die Hand aus. »Madam ist in der Kirche, und ich bin John, John Law, der Erstgeborene.«
    Der Postreiter rührte sich nicht.
    John sah ihn grimmig an: »Eines Tages werde ich Herr über Lauriston Castle sein, und ich schwöre bei Gott, wenn Sie mir nicht sofort die Post aushändigen ...«
    Der Postreiter grinste und zeigte eine Reihe brauner Zahnstümpfe: »Bis du Herr über Lauriston Castle bist, schmore ich längst in der Hölle.«
    John zog einen Satz Spielkarten hervor. »Dann lass uns spielen. Gewinnst du, kriegst du einen Halfpenny, gewinne ich, gibst du mir die Post.« Beide setzten sich ins Gras.
    »Und wo ist dein Halfpenny?«, fragte der Postreiter.
    »Gib mir ein Stück Papier«, sagte John.
    Der Postreiter zögerte, schließlich kramte er aus seiner Brusttasche ein Stück Papier hervor und reichte es John.
    »Also«, sagte John, »ich habe einen Halfpenny, aber ich habe ihn nicht hier, weil er anderweitig gerade ein Geschäft tätigt.Verstehst du? Ich habe den Halfpenny unserer Dienstmagd ausgeliehen, damit er mir Zinsen bringt. Ich besitze ihn, aber nicht in meiner Hand. Damit ich nun trotzdem mit dir ins Geschäft komme, beschließen wir, dass dieses Stück Papier einen Halfpenny wert ist. Du kannst dieses Stück Papier jederzeit bei mir eintauschen. Nur nicht heute.«
    Der Postreiter riss die Augen auf und atmete tief durch. Dann biss er sich auf die Unterlippe und sah den jungen John Law an: »Nun gut. Wie heißt dieses Spiel?«
    Oben im Turmzimmer standen Janine und William am Fenster und verfolgten die seltsame Szene. »Die spielen tatsächlich Karten«, sagte Janine und schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Ja«, murmelte William und schaute ungläubig auf Janines nackten Po. Und es war ihm, als würde der Po seinen Blick erwidern. »Ja«, wiederholte William und riss sich von dem Anblick los. »Madam sagt immer, der liebe Gott hat John das Talent für die Mathematik geschenkt, aber der Teufel hat ihm den Wunsch gegeben, dieses Talent sinnlos zu vergeuden.«
    »Er hat nur von Post für Madam gesprochen«, sagte Janine leise.
    »Das ist gut so«, murmelte William, »Post für Madam heißt, dass alles gut verlaufen ist. Sonst wäre auch Post für John dabei, als Abschiedsbrief...«
    Auf dem Hof legten der Postreiter und John Law die Karten ins Gras. John zog noch eine Karte und sagte dann: »Bedient.«
    »Zwei Buben«, sagte der Postreiter.
    John legte seine zwei Karten offen hin und stand auf. Er hatte zwei Damen. »Und jetzt her mit dem Brief.«
    Der Postreiter starrte benommen auf die Karten auf dem Boden, sah noch einmal die Karten in seiner Hand an und warf sie dann verächtlich zu den anderen. Mit einem Seufzen erhob er sich, ging zu seinem Rappen und holte einen braunen Umschlag aus der Satteltasche. John riss ihm den Brief aus der Hand und wollte zurück zum Haus eilen. Doch der Postreiter hielt ihn auf.
    »Ach, da fällt mir ein ...« Der Mann bleckte wieder grinsend die fauligen Zähne. »Für einen gewissen John Law hätte ich auch noch einen Brief...«
    John stockte der Atem. Langsam kam er zurück, trat auf den Postboten zu. Er spürte, wie seine Beine schwer wurden wie Rohre aus Blei. Noch ein brauner Umschlag aus Paris. Mit dem roten Siegel des Vaters.
     
    Die Herbststürme der vergangenen Wochen hatten den Apfelbaum im Innenhof auseinander gerissen und zu Fall gebracht. Man hatte ihn im Gras liegen lassen. Die beiden Brüder saßen auf dem modernden Stamm. William stocherte mit einem Strohhalm in der lockeren Baumrinde. Er jagte eine Ameise.
    »Liebst du sie?«, fragte er leise, ohne dabei seinen Bruder anzusehen.
    John starrte noch immer auf die beiden Briefe in seiner Hand. »Janine?Wir amüsieren uns. Sie sagt, niemand will geliebt werden. Die Leute in den Pariser Salons würden sich einfach amüsieren. Manchmal würden sie sich begehren,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher