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Das große Hörbe Buch

Das große Hörbe Buch

Titel: Das große Hörbe Buch
Autoren: Otfried Preußler
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das wussten sie trotzdem alle: dass er ein ausnehmend scheußlicher Unhold war, halb Wolf, halb Drache, mit Augen wie Feuerräder und einem Maul voller Reißzähne, spitz und scharf. Und Nüstern hatte der Plampatsch - Nüstern! Mit denen konnte er jeden Hutzelmann, der es gewagt hätte, in die Worlitzer Wälder zu kommen, unverzüglich erschnuppern.
    Und dann?
    Ja, was dann? Er hätte den armen Hutzelmann selbstverständlich sofort gefangen und aufgefressen, der Plampatsch.

    Denn nichts war bekanntlich ein größerer Leckerbissen für ihn als Hutzelmannsfleisch. Da musste man ja als Hutzelmann nicht ganz richtig sein unterm Hut, wenn man sich von den Worlitzer Wäldern nicht lieber fernhielt!
    Auch Hörbe hätte sich von den Worlitzer Wäldern gern ferngehalten, jetzt mehr denn je - wenn er das nur gekonnt hätte. Aber es ging leider nicht nach ihm.
    Der Obendrüberhut hatte aufgehört sich im Kreis zu drehen. Er glitt nun in rascher Fahrt mit der Strömung weiter, auf eine Wand von Schilf zu.
    „Aha!", dachte Hörbe.
    Sie waren der Schilfwand schon nah genug, dass er Stängel, Blätter und Kolben einzeln erkennen konnte - und langsam begann er aufs Neue Mut zu fassen.
    Er hatte sich tief in den Hut hineingeduckt. So tief, dass der Plampatsch ihn hoffentlich übersehen würde. Fürs Erste wenigstens.
    „Ich werde mich an den vordersten Schilfhalmen festhalten! Notfalls habe ich ja den Wanderstecken zur Hand -dann sehen wir weiter ..."
    Der Wanderstecken lag griffbereit neben ihm. Über den Hutrand hinweg starrte Hörbe nach vorn, ins Schilf. Noch war die Entfernung zu groß, noch musste er sich gedulden. Aber es konnte jetzt nicht mehr lange dauern, dann war es so weit: Dann hieß es zupacken.
    „Na, wie haben wir's denn ... ?"
    Bloß noch wenige Nasenlängen trennten ihn jetzt vom Schilf.
    Vier, fünf lumpige Nasenlängen vielleicht.
    „Aufgepasst, Hörbe!"
    Der Hutzelmann duckte sich, packte den Wanderstab, hielt den Atem an.
    Da drehte der Obendrüberhut sich vom rettenden Ufer ab - und nun ging es am Schilf entlang - immer im Abstand von fünf, sechs lumpigen Nasenlängen.
    „Näher ran! Näher ran!"
    Anfangs konnte es Hörbe einfach nicht glauben, dass er das Schilf nicht erreichen sollte.
    War nicht die Rettung zum Greifen nah gewesen? Und doch waren seine Arme mitsamt dem Wanderstecken zu kurz. Um ein winziges Stück zu kurz nur.
    Was nun?
    Sie glitten am Schilf vorüber, der Hut und er: an den Stängeln, den Blättern, den braunen Kolben.
    „Schwimmen müsste man können - kopfüber ins Wasser springen und schwimmen!"
    Das konnte er nicht.
    Hutzelmänner sind schließlich Hutzelmänner und keine Frösche, die einfach ins Wasser springen und schwimmen können, wohin sie wollen.
    Nein, Hörbe war leider kein Frosch - so sehr er sich das im Augenblick auch gewünscht hätte ...

Der Obendrüberhut trieb am Schilf entlang, eine ganze Weile schon, immer im gleichen Abstand. Hing denn kein Halm herüber? Gab es denn keine Seerosen weit und breit, keinen Bootssteg, wo Hörbe sich hätte festhalten können?
    Wäre doch wenigstens eine Wildente in der Nähe gewesen. Oder ein Haubentaucher. Irgendwer sonst in Rufweite, der ihm helfen konnte!
    Verzweifelt hielt Hörbe Ausschau.
    Bloß Schilf und Wasser, bloß Wasser und Schilf. Und am Himmel die winzige weiße Wolke, das Wollgrasflöckchen.
    „Was guckst du auf mich herunter! Siehst du nicht, dass ich Hilfe brauche?"
    Das Wölkchen am Himmel beschrieb einen leichten Bogen nach rechts, als wollte es sich von Hörbe abwenden.
    „Ich verstehe. Du kannst mir nicht helfen - da drehst du dich lieber weg von mir. Na, was soll's!"
    Hörbe wandte sein ganzes Augenmerk wieder dem Ufer zu. Das Boot hatte einen leichten Bogen nach links beschrieben. Nun trieb es in eine Lücke im Schilf hinein, die sich unversehens vor Hörbe auftat: rechts Schilf und links Schilf, dazwischen ein Streifen Wasser.
    Die Lücke war anfangs so breit wie ein Waldweg. Dann wurde sie zusehends enger - und bald schon erreichte der Hut einen schmalen Wasserlauf, der tiefer und tiefer ins Schilf hineinführte.
    War das der Abfluss der Rabenteiche?
    Kein Zweifel, es war der Rabenbach. Der Rabenbach, der in die Worlitzer Wälder floss, in denen der Plampatsch hauste. Der Plampatsch!
    „Jetzt ist endgültig alles aus und vorbei!"
    Hörbe zog sich den Untendrunterhut in die Stirn und wartete ab, was geschehen würde.
    Er dachte an Wurzeldittrich, er dachte an Humpelkeil, an die anderen Hutzelmänner
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