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Das große Hörbe Buch

Das große Hörbe Buch

Titel: Das große Hörbe Buch
Autoren: Otfried Preußler
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und dichter.
    „Gib uns von deinem Kuchen, Hutzelmann! Gib uns von deinem Streuselkuchen!"
    Er warf ihnen ein paar Brösel hin, es wurde ihm unbehaglich zumute.
    „Die fressen mir nicht nur den Kuchen weg - wenn das so weitergeht, bin ich am Ende selber dran!"
    Er packte das Bündel, dann sprang er mit einem Satz von der Felsenklippe hinunter ins Heidekraut. Und dann rannte er vor den Ameisen weg, so rasch ihn die Füße trugen.
    Mit beiden Händen bahnte er sich den Weg durchs Gestrüpp, das ihm bis zur Krempe des großen Hutes reichte. Er stolperte über Wurzeln, er strauchelte über Stängel und Zweige, er kam ins Schwitzen. Nach einer Weile musste er anhalten und verschnaufen.
    Die Ameisen folgten ihm auf dem Fuß. Er hörte es knistern, er hörte es knacken, er hatte Angst.
    „Wenn sie mich kriegen - dann gute Nacht!"
    Ab und zu warf er eine Hand voll Kuchenbrösel hinter sich. Er hoffte, das würde ihm die Verfolger vom Hals halten, eine Zeit lang wenigstens.
    Weiter geht es, durch dick und dünn.
    Hinter ihm knistert und knackt es, knistert und knackt es. Die Ameisen sind gefährlich nahe herangekommen.
    „Sie dürfen mich nicht erwischen!"
    Hörbe nimmt seine letzte Kraft zusammen. Er rennt und rennt, wie er niemals zuvor gerannt ist in seinem Hutzelmannsleben.
    Nur nicht hängen bleiben im Dickicht, nur nicht den Mut verlieren! Und aufpassen, Hörbe! Aufpassen, dass du dir nicht den Fuß verknackst!
    Das verflixte Gestrüpp! Im Freien draußen - da sollten die Ameisen mal versuchen ihn einzuholen. Aber hier drin ...
    „Ich muss raus da! Ich muss da raus!"
    Es ist zum Verzweifeln, allmählich geht ihm die Puste aus. Die vordersten Ameisen sind jetzt fast schon auf gleicher Höhe mit ihm.
    Da merkt Hörbe, dass sich das Dickicht zu lichten beginnt. Es lichtet sich mehr und mehr, es wird dünn und schütter.
    „Das hätten wir ja gerade noch mal geschafft!"

    Die Heide liegt hinter ihm, Hörbe rennt jetzt durch hohes Gras. Mit jedem Schritt gewinnt er an Boden, mit jedem Schritt wird der Vorsprung größer: Hier draußen kommen die Ameisen nicht mehr mit. Hörbe glaubt schon, dass alles gewonnen ist: Da gerät er in einen Wald von Schilfhalmen - und dann steht er vor einem Teich.
    Ach du liebe Güte! Wieder einmal hat sich einer zu früh gefreut.
    Hörbe steckt in der Klemme, er hat die Wahl: vor sich das schwarze Wasser der Rabenteiche - hinter sich, knis-ter-knaster, ein Heer von Ameisen.
    Schwimmen kann Hörbe nicht. Auffressen lassen will er sich auch nicht.
    Was soll er bloß tun?

Jeder Hutzelmann hat bekanntlich einen Beruf, Hörbe mit dem großen Hut hatte zwei. Er war ein geschickter Korbflechter und der Hutmacher für die Hutzelmannshüte. Das passte nicht schlecht zusammen.
    Hutzelmannshüte sind ja nicht einfach aus Stroh oder Filz gemacht wie gewöhnliche Hüte. Hutzelmannshüte bestehen aus einem Stoff, der aus sechserlei Vogelfedern und fünferlei Mausewolle gewalkt ist, aus dem Gespinst des Altweibersommers, aus Nebelschleiern, aus Fasern von taufrisch gepflücktem Farnkraut und vielen anderen Zutaten: Insgesamt sind es neunundneunzig - und keine Einzige darf der Hutzelmannshutmacher weglassen, sonst wird niemals ein richtiger Hutzelmannshut daraus.
    Übrigens muss es auf jeden Hutzelmannshut neun Mal  regnen und neun Mal schneien, bevor er fertig ist. 

    Neun Mal muss Tau darauf fallen und neun Mal Reif. Neun Mal muss ein Gewitter darüber hingehen, neun Mal die Sommerhitze, neun Mal der Frost. Zudem muss ihn neun Mal die Mittagssonne bescheinen, neun Mal der Mond und neun Mal der Abendstern. Erst dann wird ein richtiger Hutzelmannshut aus dem Stoff, den man braucht, um Hutzelmannshüte daraus zu machen: Hüte, die mit dem Lauf des Jahres die Farbe wechseln.
    Im Frühling sind sie von zartem Grün wie die Fichtenspitzen; im Sommer, da schimmern sie satt und dunkel, als seien sie aus den Blättern der Preiselbeersträucher gewirkt; im Herbst sind sie bunt gescheckt wie das Laub im Oktoberwald; und im Winter, sobald nur die ersten Flocken vom Himmel schweben, beginnen sie weiß zu werden und immer weißer, bis sie zuletzt die Farbe von frisch gefallenem Schnee haben: Solche Hüte sind das.
    Und Hörbes Hut erst!
    Der ist nicht nur größer als alle Hutzelmannshüte sonst -er ist auch ein Doppelhut, den Hörbe eigens für sich erfunden hat: Er besteht aus zwei Hüten in einem, die haargenau ineinander passen. Der Obendrüberhut steckt auf dem Untendrunterhut drauf wie die Gugelhupfform auf
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