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Das Gottesgrab

Das Gottesgrab

Titel: Das Gottesgrab
Autoren: Will Adams
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konnte es nicht erzwingen. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass Antworten häufig dann kamen, wenn er an etwas anderes dachte. Ihr Bewacher zündete sich eine weitere Zigarette an. Die Flamme des Feuerzeugs schimmerte rot-golden auf Alexanders Sarkophag. Knox merkte, wie er darauf starrte. Was für ein Ende für einen solchen Mann. Sein Leichnam war letztlich zum Spielball von Politik und persönlichen Interessen geworden. Aber in gewisser Weise war es auch ein folgerichtiges Ende gewesen. Alexander war in Babylon gestorben, als sich sein Leben auf einem Tiefpunkt befunden hatte. Vielleicht war sein Tod durch die Schrecken der gedrosischen Wüste ausgelöst worden, in die er 40   000 Männer geführt hatte und aus der er mit nur 15   000 herausgekommen war. Der Tod hatte in der Luft gelegen. Ein älterer indischer Philosoph namens Calanus hatte Alexander bei seinen Feldzügen begleitet, war aber krank geworden. Da er nicht dahinsiechen wollte, hatte er sich bei lebendigem Leib verbrannt und Alexander kurz zuvor versichert, dass sie sich bald wiedersehen würden. Bei einem Wettsaufen waren einundvierzig Makedonier gestorben, einschließlich des Gewinners. Dann war auch noch Alexanders engster Freund, Hephaiston, gestorben, was der größte Schlag für ihn gewesen war. Und schließlich hatte Alexander das Grab von Kyros dem Großen in Pasargadai besucht. Kyros war der größte Eroberer und Herrscher vor Alexander gewesen, ein Halbgott, der in ganz Persien verehrt wurde. Dennoch hatte Alexander seine Knochen über den Boden verstreut vorgefunden, da Räuber erfolglos versucht hatten, seinen goldenen Sarkophag zu stehlen. Die Inschrift auf Kryos’ Grabmal hatte gelautet: Wer du auch bist und wo du auch herkommen magst – ich wusste, dass du kommen wirst. Ich bin Kyros, der das Reich der Perser geschaffen hat. Deshalb missgönne mir nicht dieses bisschen Erde, das meinen Körper bedeckt. Aber seine Bitte war nicht erhört worden.
    Als Alexander, sich seines nahenden Endes bewusst, in Babylon auf dem Sterbebett lag, hatte er versucht, sich hinab zum Fluss zu schleppen, der am Palast vorbeiführte. Es hieß, dass er sich von den Fluten hatte mitreißen lassen wollen, auf dass die Welt glauben möge, er wäre hinauf an seinen rechtmäßigen Ruheort in den Kreis der Götter getragen worden. Aber vielleicht hatte er auch nur seinen Nachfolgern die Möglichkeit nehmen wollen, seine sterblichen Überreste mit jener Respektlosigkeit zu behandeln, die dem Leichnam von Kyros entgegengebracht worden war. Vielleicht war also das Alexanders eigentlicher Wunsch gewesen: Seine Leiche sollte weder nach Siwa noch nach Alexandria oder Makedonien gebracht werden, sondern in den unendlichen Tiefen des Wassers versinken.
    In den unendlichen Tiefen des Wassers versinken. Ja. Und endlich reifte in Knox eine Idee.
    Eine Ewigkeit schien zu vergehen, ehe der LKW das nächste Mal anhielt. Quietschend gingen die Türen des Containers auf. Knox lehnte seinen Kopf gegen die Stahlwand. Die Angst kribbelte auf seiner Haut wie die Perlen eines Rosenkranzes. Blass schimmerten Sterne am Horizont. Der Tag war fast vorüber, und vielleicht war es sein letzter. Nicolas kletterte in den Container. Sein Haar stand auf einer Seite ab, als wäre er gegen das Fenster gelehnt eingenickt. Er richtete die Walther auf Knox. «Wir sind in Suez», sagte er, während Eneas Knox’ Fesseln löste und den Knebel aus seinem Mund zog. Knox ballte und streckte seine Hände, damit das Blut wieder zirkulierte. Vorsichtig stand er auf und rieb seinen Oberschenkel.
    Nicolas befahl ihm, zum Ausgang des Containers zu gehen. Knox ignorierte ihn und hob die Wasserflasche des Wachpostens auf. Ein paar Schlucke waren noch drin. Er nahm Gaille den Knebel ab, hielt die Flasche an ihre Lippen und hob sie, bis sie leer war. Dann küsste er sie auf die Stirn. «Ich tue mein Bestes», versprach er.
    «Das weiß ich.»
    «Beweg dich», herrschte Nicolas ihn an und stieß ihn mit dem Lauf der Walther.
    Knox humpelte übertrieben durch den Container, weil er Nicolas glauben machen wollte, dass er schwer verletzt sei. Mühsam kletterte er hinunter, stieß einen kleinen Schrei aus, als er auf dem Asphalt aufkam, und hüpfte ein paar Mal auf seinem gesunden Bein. Sie befanden sich in der Ecke eines riesigen, leeren Parkplatzes. Es stank nach Abgasen und verbranntem Gummi. Aus einer Tankstelle in der Ferne strömte arabische Musik. Über einer Baumreihe schimmerte der Himmel orangerot.
    «Wir
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