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Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Titel: Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen
Autoren: Aimée Carter
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Zimmer.
    „Henry?“, fragte ich verzagt, doch er schüttelte den Kopf und antwortete mit nichts als einem Lächeln. Beklommen zupfte ich an dem weißen Spitzenbesatz meines Kleids herum und vergewisserte mich, dass meine Verbände dicht waren.
    Die Türflügel öffneten sich, und statt des Schreins, der das Zimmer noch vor wenigen Monaten gewesen war, erwartete uns ein leerer Raum. Nur ein zarter weißer Bogen stand darin, verziert mit Abertausenden von Gänseblümchen. An der Seite warteten neun der anderen Ratsmitglieder – alle außer Calliope und James, und Walter stand unter dem Bogen und erwartete uns.
    „Ich hoffe, das genügt“, sagte Henry. „Ich war mir nicht sicher, ob du dir etwas Ausgefalleneres wünschst.“
    „Nein“, erwiderte ich atemlos. „Das hier ist perfekt.“
    Meine Mutter ergriff meine Hand, und in ihren Augen schimmerten Tränen.
    „Das ist mein Mädchen“, flüsterte sie, und auch wenn ich mich nie wieder von ihr trennen wollte, wusste ich, es war Zeit. Dies war jetzt mein Leben, und sie würde zwar weiterhin ein Teil davon bleiben, doch nicht länger der Dreh- und Angelpunkt sein. Das war eine Veränderung, mit der ich nicht gerechnet hatte, aber irgendwie hatten die letzten sechs Monate dazu beigetragen, mich darauf vorzubereiten.
    Ich ließ ihre Hand los, und sie stellte sich zu den anderen. Henry führte mich zu dem weißen Blumenbogen, und als Walter das Wort ergriff, spürte ich aller Augen auf uns gerichtet. Henry und ich sprachen ihm unsere schlichten Gelübde nach, und mit einer Stimme von so unerschütterlicher Autorität, dass selbst die Steine von Eden Manor in Ehrfurcht zu erbeben schienen, erklärte er uns zu Mann und Frau.
    Henry beugte sich vor, um mich zu küssen. Als unsere Lippenaufeinandertrafen, durchströmte Hitze meinen gesamten Körper, gefolgt von einer angenehmen Kühle, die an die Stelle all meiner Schmerzen trat. Dann löste er seine Lippen von meinen, und mein Körper fühlte sich wieder richtig an, geheilt und stark auf eine Art, wie ich sie nie zuvor verspürt hatte. Doch das spielte keine Rolle. Was zählte, war die Weise, auf die er mich ansah – als wäre dies der glücklichste Moment in seinem langen Leben. Und tief in meinem Inneren wusste ich, ich würde nie wieder allein sein.
    Unsere Hochzeitsnacht verbrachten wir in meiner Suite und spielten Karten, beide peinlich darauf bedacht, nicht zu erwähnen, was am kommenden Tag geschehen würde. Dies war für die nächsten sechs Monate meine letzte Nacht auf Eden Manor, und auch wenn ich wusste, ich würde wiederkommen, fühlte es sich irgendwie endgültig an. Ein halbes Jahr war für Henry wie ein Wimpernschlag, aber vor mir schien sich diese Zeitspanne endlos zu erstrecken.
    Am einen Tag verheiratet, am nächsten fort. Irgendwie schien das nicht fair. Wenn ich wollte, konnte ich früher zurückkommen, das wusste ich. Doch meine Mutter war eisern in ihrem Entschluss, dass ich meinen ersten Sommer ohne Henry verbringen sollte.
    Am nächsten Morgen ließen wir uns das Frühstück ans Bett bringen, ich im Schneidersitz und noch im Schlafanzug auf der einen Seite des Tabletts, Henry auf der anderen. Jetzt, da Frühling war, durfte ich wieder essen, und obwohl ich nicht hungriger war als sonst, stürzte ich mich mit ungewöhnlichem Eifer auf meine Pfannkuchen. Natürlich war ich innerhalb kürzester Zeit sirupverschmiert, doch Henry schien das nichts auszumachen. Ab und zu lehnte er sich zu mir herüber und küsste mir den Sirup von den Lippen – und grinste, wenn er sah, wie ich rot wurde.
    Das Packen war in null Komma nichts erledigt, und viel früher, als ich gedacht hatte, stand ich auf dem gewundenen Weg zum Haupttor dem Großteil meiner neuen Familie gegenüber. Wieder fehlte Calliope, doch es war die Abwesenheit von James, bei dermich ein unangenehmes Gefühl beschlich.
    Einen nach dem anderen umarmte ich zum Abschied – selbst den brummigen Phillip, der nach Pferd roch und aussah, als würde er alles andere lieber tun, als diese tränenreiche Zurschaustellung von Sentimentalität über sich ergehen zu lassen. Ava weinte schon, bevor ich überhaupt bei ihr angekommen war, und sie schlang die Arme so fest um mich, dass ich dachte, sie würde nie wieder loslassen.
    „Oh Kate – ich werd dich so vermissen!“
    „Ich werd dich auch vermissen.“ Egal, was diesen Winter zwischen uns vorgefallen war – ich hoffte, ihre Tränen bedeuteten, dass alles vergeben war. Dass ich sie wiedersehen
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