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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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anzuhören, als sie gestern Abend
mit einigen weiteren namenlosen, noch jüngeren Männern zu
dem Haus gefahren waren. Die Begleiter hatten die ganze Zeit kein
Wort gesagt. »Ist vielleicht gar nicht so schlimm, wie es auf
den ersten Blick aussah, oder?« Guðni wollte sich von der
Genervtheit des jungen Mannes nicht beeindrucken
lassen.
    »Wir
wissen noch nichts«, antwortete Stefán. Er wandte sich
von Guðni ab und beobachtete weiter die Tatortuntersuchung.
»Wie sollte es denn weniger schlimm sein, als es
aussieht?«
    »Tja«,
sagte Guðni schulterzuckend, »ich dachte, es könnte
sich vielleicht um die sterblichen Überreste glückloser
Einbrecher handeln, die bei dem Vulkanausbruch hier eingeschlossen
wurden {30 }und erstickt sind. Das Haus ist erst später von
der Asche verschüttet worden. Skrupellose Verbrecher
hätten genug Zeit gehabt, aus dem Ausland herzukommen und sich
zu bedienen. Über den Ausbruch wurde seinerzeit weltweit
berichtet.«  
    Stefán
schaute Guðni entgeistert an. »Das kann ja wohl nicht
dein Ernst sein.« Er zeigte auf die drei Leichen, die
nebeneinander auf dem Rücken lagen. »Wie stellst du dir
das denn vor? Die Luft wird so schlecht, dass die Einbrecher in den
Keller laufen, um sich hinzulegen? Sie sind ja wohl kaum davon
ausgegangen, dass sich hier irgendwas Wertvolles befindet.«
Er drehte sich wieder zu seinen Kollegen. »Erstickte liegen
meistens auf dem Bauch, es sei denn, sie schlafen, wenn es
passiert. Sie versuchen wegzukriechen. Sie legen sich nicht hin und
verlieren auch keine Köpfe.« Er zeigte auf die Stelle,
an der der Kopf gelegen hatte, der inzwischen entfernt worden
war.
    »Du
wirst schon noch feststellen, dass nichts in diesem Leben
Allgemeingültigkeit hat«, entgegnete Guðni
vollkommen gelassen. Das war nicht der erste Reykjavíker
Schnösel, mit dem er aneinandergeriet. »Aber Alda wird
die Sache vermutlich erklären können. Zumindest was den
Kopf angeht. Habt ihr schon mit ihr
gesprochen?«
    »Soweit
ich weiß, hat man sie noch nicht erreicht«, antwortete
Stefán, ohne Guðni eines Blickes zu würdigen.
»Wir versuchen es weiter. Hoffentlich klappt es heute. Und
dann unterhalte ich mich mal genauer mit diesem Markús
Magnússon, der den Kopf wegschaffen wollte. Ich habe starke
Zweifel daran, dass er die Wahrheit sagt. Seine Aussage kommt mir
ziemlich unglaubwürdig und dumm vor.«
    »Er ist
ja auch ein Dummkopf. Immer gewesen.« Guðni schaltete die
Taschenlampe ein und ging zur Treppe, ohne sich zu
verabschieden.
    Dís
hupte, reckte sich übers Lenkrad und spähte durch die
Windschutzscheibe. Das kleine Reihenhaus wirkte verlassen. Sie
lehnte {31 }sich wieder im Sitz zurück. Was dachte sich Alda
nur dabei? Sie war zwei Tage hintereinander nicht zur Arbeit
erschienen. Alda war die Gewissenhaftigkeit in Person, immer
pünktlich und zu Überstunden bereit. Eine solche
Krankenschwester musste man erst mal finden. Dís wusste,
dass Ágúst und sie ohne Alda Schwierigkeiten in der
Praxis bekommen würden. Sie zahlten ihr ein gutes Gehalt, und
bis gestern war Aldas Arbeit ausgezeichnet gewesen. Es war ihnen
vollkommen unverständlich, warum Alda gestern Morgen ihr
Fehlen nicht entschuldigt hatte, und das an einem Tag, an dem vier
Operationen anstanden. Dís und Ágúst –
beide Ärzte – hatten sich gegenseitig assistieren und
gemeinsam operieren müssen, anstatt sich mit Aldas Hilfe
abzuwechseln, und der Anästhesist musste ihnen zur Hand gehen.
Es war wirklich höchst merkwürdig. Daher hatte Dís
beschlossen, in der Mittagspause bei Alda vorbeizufahren. Sie
spähte wieder durch die Windschutzscheibe und überlegte,
ob der Frau etwas zugestoßen sein könnte. Sie war
alleinstehend und kinderlos. Schon denkbar, dass sie in Ohnmacht
gefallen war und niemand es bemerkt hatte. Dís stieg aus dem
Wagen.
    Sie ging zur
Garage, die Aldas Reihenhaus mit dem nächsten verband, und
lugte durch einen Spalt in der kleinen Tür in dem
braungestrichenen Garagentor. Sie meinte, Aldas neuen grünen
Toyota zu erkennen, war sich aber nicht sicher. Jedenfalls ein
schlechtes Zeichen. Alda konnte ohne Auto nicht weit sein, und
falls sie zu Hause war, warum hatte sie sich nicht gemeldet?
Dís ging zur Haustür. Das Schrillen der Türklingel
drang von drinnen zu ihr. Sie nahm den Finger vom Klingelknopf und
legte ihr Ohr an die Tür. Kein menschliches Geräusch war
zu hören. Allerdings schien dafür umso lauter ein Radio
zu dudeln. Sie presste ihr Ohr fester an die Tür und
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