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Das Glücksprojekt

Das Glücksprojekt

Titel: Das Glücksprojekt
Autoren: Alexandra Reinwarth
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Umständen ein ziemlicher Widerspruch sein. Wenn man zum Beispiel Dachdecker ist und unter ausgeprägter Höhenangst leidet. Oder als Dozent ungern vor Leuten spricht. Oder denken wir nur an die Heerscharen von Arbeitnehmern, die Menschen hassen und doch alle im Dienstleistungssektor tätig sind. Wenn man keine eklatante Fehlentscheidung hingelegt hat und sich nicht komplett neu orientieren muss, weil man seinen Job hasst, gibt es dennoch Möglichkeiten der Optimierung.
    Wo kriege ich flow her?
    Das Wort, das dabei immer wieder fällt, ist flow . Flow bezeichnet das Aufgehen in einer Tätigkeit. Wenn man konzentriert bei der Sache ist. Voraussetzung ist, dass uns die Sache gefällt und sie uns im richtigen Maße fordert. Dieses Gefühl ist dann so wunderbar, dass wir es immer wieder haben wollen. Die Hersteller von Computerspielen setzen auf diese Kombination und sind damit recht erfolgreich. So erfolgreich, dass etwa jeder zehnte Computerspieler Suchtkriterien erfüllt, wie sie Alkoholkranke aufweisen. Flow erleben auch Kinder beim Spielen, Skifahrer bei der Abfahrt, Motorradfahrer, Klavierspieler und Wildwasserfahrer. Bei all diesen Tätigkeiten sind die Menschen ganz im Hier und Jetzt. Ist flow das, was die Yogis mit ihren Meditationstechniken zu erreichen suchen? Um dort zu verweilen? Das Gefühl flow wird oft mit den Worten beschrieben: als würde man von Energie durchströmt. Dasselbe berichten erfahrene Meditierer von ihren Sitzungen.
    Erich Fromm hat in seinem Buch Die Kunst des Liebens die Theorie aufgestellt, dass der Mensch dadurch, dass er ein Bewusstsein hat und sich darüber im Klaren ist, dass er sterben wird, einsam ist. Um diese Einsamkeit zu überwinden, sucht er Erlebnisse, die diese Grenze zwischen ihm und der Außenwelt scheinbar aufheben, damit er sich mit der Welt verbunden fühlen kann. Denken Sie an das überwältigende Gefühl, sich als Teil einer Gruppe zu fühlen. Oder sich bei orgiastischem Sex aufzulösen . Oder während des neurotischen Zustands des Verliebtseins eins zu werden mit dem Partner. Liebe, Drogen und Rituale, wie zum Beispiel beten, können diesen Zustand herbeiführen. Oder tanzen. Und angeblich auch künstlerisches Schaffen, sagt Herr Fromm. Ein flow , also ein Tätigkeitsrausch, scheint den gleichen Effekt zu haben. Die Worte, die zur Beschreibung des flows benutzt werden, deuten ebenfalls in diese Richtung. Wikipedia beschreibt flow unter anderem so: Flow ist »… eine Art digitale, plötzliche Antwort des Körpers: im Flow ist man in der Hochbeanspruchung des Tuns und Erlebens vollkommen hingerissen. Sie [die Momente, Anm. d. Autorin] sind meist von kurzer Dauer von Augenblicken bis zu wenigen Minuten.«
    Ich weiß genau, was die meinen. Im Garten kann mir das passieren, während ich in der Erde buddle – und in der Arbeit? Ja, da gibt es auch solche Momente. Perfekte Momente. Ich nenne sie allerdings wenig wissenschaftlich: Flutsch-Momente. Sie kennen das? Wenn es flutscht? Die meisten Menschen kennen solche Momente, und Studien belegen, dass sie am häufigsten während der Arbeit auftreten. Wenn ich einen oder mehrere solcher Momente habe, fühle ich mich wie die Queen of Currywurst. Ich bin vollkommen zufrieden mit mir und der Welt und mein Selbstbewusstsein dreht fast ein bisschen durch vor Freude. Ich bin noch einige Zeit danach gut gelaunt und wenn ich in dieser Laune unter Menschen gehe, finden mich alle hinreißend. Es ist wie auf Kokain sein, nur dass man nicht so viel Stuss redet. Mit meiner inzwischen recht gut funktionierenden Achtsamkeit finde ich innerhalb einer Woche heraus:
Ich erledige den Großteil der Arbeit vormittags und baue dann kontinuierlich ab.
Die Erfolgserlebnisse vom Vormittag gehen nach den quälend langweiligen Stunden am Nachmittag wieder flöten.
Ich arbeite effektiver, wenn ich nicht gestört werde.
    Das sind jetzt keine großartigen Herausfindungen. Die meisten Leute, mit denen ich über ihre Arbeit gesprochen habe, ticken so. So weit, so unlustig. Das Komische daran ist, dass ich nie versucht habe, meinen Arbeitstag danach auszurichten. Es ist ja auch unvermeidbar, dass ich bei der Arbeit gestört werde. Von Kollegen, von E-Mails, dem Telefon oder dem Briefträger. Von dem Gedanken daran, dass in einer Stunde ein Meeting ist, vom Telefon im Büro nebenan, vom Geräusch des Kopierers und von dem Duft von frischem Kaffee. Was kann man dagegen schon tun? Nachts arbeiten?
    »Frühmorgens«, sagt L.
    Das kommt ja nun gar nicht infrage.
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