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Das Glücksprojekt

Das Glücksprojekt

Titel: Das Glücksprojekt
Autoren: Alexandra Reinwarth
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wie die coolsten Typen der Welt vorgekommen waren. Und das ging immer weiter so. Groß genug war man irgendwie nie. Mit den Jahren veränderte sich nur die Vorstellung davon, was wäre, wenn man dann groß wäre. Und es änderte sich auch die Vorstellung, was groß überhaupt ist: In der Pubertät dachte ich, wenn ich groß wäre, müsste doch dieses Gehangel und Dahingewurstel und diese Unsicherheit und dieses Schwierige vorbei sein. Ich würde wissen, wie der Hase läuft, und das Leben, das zweifelsohne für mich etwas ganz Spezielles in petto hätte, könnte endlich beginnen. Ich wäre vermutlich groß, wenn ich:
Überweisungsformulare ausfüllen könnte und Auto fahren,
eine schicke Wohnung hätte und jede Nacht durch die Clubs zöge,
eine festen Freund hätte,
Ulysses verstünde,
so etwas wahnsinnig Erwachsenes tun würde wie eine Putzfrau engagieren oder
verheiratet wäre und ein Kind hätte.
    Schließlich konnte ich Auto fahren und Überweisungsformulare ausfüllen und es änderte sich überhaupt nichts. Das soll nicht heißen, dass ich in meiner Entwicklung stehen blieb, zum Glück, aber ich fühlte mich kein bisschen anders. Alles war immer noch schwierig und undurchsichtig. Ich war immer noch ich. »Überraschung«, werden Sie jetzt vielleicht sagen und mit den Augen rollen.
    In dem Moment, als meine Oma sagt, sie habe im Spiegel eine alte Frau gesehen, fühle sich aber gar nicht so, verstehe ich, dass »Wenn ich groß bin« nicht kommen wird. Es gibt keine Haltestelle in meinem Leben, die »Sie sind jetzt groß« heißt. Es wird weitergewurstelt und die Tage vergehen, bis ich auch einmal vor dem Spiegel stehe und mir denke: Ich sehe aus wie eine alte Frau.
    Es ist ein großer Unterschied, ob man etwas versteht oder fühlt. Als ich mit 6 Jahren meinen Hamster beerdigen musste, lernte ich, dass alles Leben vergeht und dass aller Wahrscheinlichkeit nach meine Eltern und vielleicht sogar ich irgendwann sterben müssen. Das habe ich verstanden. Aber auf meiner Heimfahrt in der Tram fühle ich es zum ersten Mal. Ohne den Verkehrsbetrieben da irgendeinen Vorwurf machen zu wollen.
    Das jagt mir einen mordsmäßigen Schreck ein und ich erinnere mich an all die Filme und Bücher, in denen jemand von einer hammermäßig tödlichen Krankheit erfährt, um dann in der verbleibenden Zeit endlich was aus seinem Leben zu machen. Am Ende wird gestorben oder alles war ein Irrtum. So oder so, ich finde diesen Stoff überstrapaziert. Ich will trotz meiner Erleuchtung nicht alles stehen und liegen lassen, um drehbuchartig ans Meer zu fahren, einmal einen Berg zu besteigen, an einer Orgie teilzunehmen, oder was den Leuten sonst so einfällt,was sie in ihrem Leben verpasst haben. Nein. Ich habe die einmalige Gelegenheit, mein Leben vor der schockierenden Diagnose zu ändern. Ich möchte, wenn einmal der Sensenmann kommt, nicht sagen: »Wie, jetzt schon?« Ich möchte sagen: »Schön war’s!« Wenn ich mir meinen Alltag so ansehe, bin ich viel zu oft nur damit beschäftigt, gleichzeitig Job, Beziehung, die Buntwäsche, die Oma und den ganzen Rest unter einen Hut zu bekommen. Das kann doch nicht alles gewesen sein!
    Mein Entschluss steht fest: Ich will aus meinem Leben das Größtmögliche herausholen. Ich will größt-glücklich-möglich sein.
    Und zwar ab: Jetzt.
    Es heißt immer und überall, Glück sei erlernbar. Da bin ich ja mal gespannt. Es hieß in der Schule auch, Latein sei erlernbar, und ich weiß, das ist es definitiv nicht. Kann man in Glück durchfallen? Und was heißt erlernbar? Muss ich vier Mal am Tag sagen: »Das Leben ist schön, ich fühle mich gut«, und dann bin ich schon glücklich? Oder wie geht das? Ich werde es herausfinden. Die gute Nachricht für Sie: Sie müssen sich nicht alle Ratgeber kaufen, die einem beibringen sollen, wie man glücklich wird. Das habe ich nämlich schon gemacht.
    Wenn man sich so umsieht auf dem Glücksmarktplatz, dann verliert man schnell den Überblick. Jede Menge Tipps à la »Akzeptiere dich selbst«, und wenn ich noch einmal diese Parabel vom griechischen Fischer am Strand höre, übergebe ich mich aus dem Stand. Sie wissen schon, die hier:
    Ein reicher Industrieller macht Urlaub in einem südlichen Land und sieht schon am Vormittag einen einheimischen Fischer ruhend unter einem schattigen Baum:
    »Warum sind Sie nicht auf dem Meer beim Fischen?«
    »Ich war schon draußen.«
    »Warum fahren Sie nicht nochmals?«
    »Warum sollte ich?«
    »Damit Sie mehr Fische und mehr Geld
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