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Das Glücksprojekt

Das Glücksprojekt

Titel: Das Glücksprojekt
Autoren: Alexandra Reinwarth
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Schwierigkeiten habe, Nein zu sagen. L. kann da ein Lied davon singen. Mein Hirn weiß natürlich, dass ein Nein nicht über Sympathie entscheidet. Ich muss keine Opfer bringen, um gemocht zu werden. Mir ist auch klar, dass jemandem, der Grenzen ziehen kann, mehr Respekt entgegengebracht wird – aber sobald ich in die Situation komme, nützt das Hirn nichts. Da wird mir entsetzlich unangenehm zumute und diesen Zustand beende ich durch ein erlösendes »Ja, klar«. Und beiße mir danach in den Hintern, dass ich es wieder nicht geschafft habe.
    Durch meinen neuen Frühstart in den Arbeitstag habe ich plötzlich mehr Zeit, ich kann locker und lässig am frühen Nachmittag nach Hause gehen. Das klappt auch anfangs super. Zumindest bis meine Kollegen merken, dass ich bereits meine Sachen zusammenräume, während sie noch vor Stress am Rad drehen. Besonders einer fängt mich regelmäßig auf halbem Weg nach Hause ab: Markus. Der steht dann plötzlich in meiner Nähe und seine Sätze fangen häufig so an:
Könntest du mal eben …
Ich habe da ein Problem …
Hast du kurz Zeit …
Da wäre noch eine Sache …
    Und hast du nicht gesehen, fange ich nicht viel früher an zu arbeiten und habe darum viel früher frei, sondern ich fange einfach nur viel früher an zu arbeiten. Punkt. Das war ja nun nicht Sinn der Sache und vor allem: Es muss aufhören.
    »Was sage ich denn nur am besten«, überlege ich, als ich mit Jana bei einem Martini im Einstein sitze.
    »Wie wäre es mit Nein ?«, schlägt Jana vor. Ich sehe ihr tief in die Augen. »Du bist mir keine große Hilfe, mein Fräulein.« – »Okay«, sagt Jana und kaut auf ihrer Olive. »Und wenn du Nein, danke sagst? Als hättest du gerade ein reizvolles Angebot bekommen?« Das stelle ich mir etwas eigenartig vor:
    »Alex, könntest du bitte noch kurz meinen Text hier anschauen?«
    »Oh, das ist ein reizvolles Angebot, aber danke, nein.«
    Das klingt doch komisch.
    Die Fachwelt sagt, die beste Möglichkeit für so rückgratlose Weicheier wie mich ist, um etwas Bedenkzeit zu bitten.
    »Alex, könntest du bitte noch kurz meinen Text hier anschauen?«
    »Ich sage dir in zehn Minuten Bescheid.«
    Finde ich eine super Lösung. Einziges Problem daran ist, dass ich dann in zehn Minuten Nein sagen muss und wieder vor dem gleichen Dilemma stehe. Ein anderer Vorschlag besteht darin, dem Gegenüber ein Kompliment zu machen, bevor man ihm absagt.
    »Alex, könntest du bitte noch kurz meinen Text hier anschauen?«
    »Oh, deine Texte sehe ich mir am liebsten an, aber dieses Mal kann ich nicht.«
    Klingt schon viel besser als Nein.
    Am nächsten Tag ist es spannend im Büro. Ich warte auf mein Praxismodell. Das erscheint in Form von Markus pünktlich in dem Moment in der Türe, als ich um drei meinen Computer zuklappe.
    »Hey, Alex, bist du schon fertig?«
    »Ja.« Gleich kommt’s, gleich kommt’s, denke ich mir und bin schon ein bisschen aufgeregt.
    »Könntest du vielleicht mal über meinen Broschürentext schauen? Irgendwie fehlt da noch was.« Okay, das ist der Moment. »Markus, deine Texte sehe ich mir zwar am liebsten an, aber leider kann ich nicht.« Ich setze mein schönstes Lächeln dazu auf. Habe ich flehend geklungen? Und warum fühle ich mich nicht erleichtert und prima, wo ich es doch endlich geschafft habe, Nein zu sagen? Kurz darauf wird mir klar, wieso. Markus akzeptiert mein Nein nicht. Mein Unterbewusstsein hat das vermutlich viel früher registriert als der Rest von mir, deswegen will keine Freude aufkommen. Markus steht immer noch in der Tür. Vielleicht hat ihm etwas an mir signalisiert, dass da noch Verhandlungsspielraum ist. »Ich muss das aber heute Nachmittag abschicken, komm schon, es dauert ja nicht lange«, dazu legt er den Kopf schief und lächelt. Das ist jetzt aber für Fortgeschrittene, finde ich. Wie kommt er überhaupt dazu, sein Problem mit der Abgabefrist zu meinem Problem zu machen? Noch dazu weiß ich, dass Markus die Dinge immer aufschiebt und dann kurz vor knapp überall um Hilfe ruft. Es stimmt auch nicht, dass es nicht lange dauert! Wenn ich mich da dran setze, dauert das zwischen ein und zwei Stunden. Der nimmt mich einfach nicht ernst, denke ich und es steigt eine kleine Wut in mir hoch. Es erinnert mich an den Moment, als ich mit Kathrin Schluss gemacht habe. Da konnte ich auch ein Gefühl der Wut nutzen, um es kurz über mein Gefallen-Wollen zu legen. Das mache ich jetzt wieder. Nicht the buddha way, aber es funktioniert. Seit acht Stunden bin
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