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Das Gluecksarmband

Das Gluecksarmband

Titel: Das Gluecksarmband
Autoren: Holly Greene
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Schultor abgeliefert hatte, ging Molly weiter durch Greenwich Village. Wieder einmal bestaunte sie die Lichterketten, die in diesem Stadtteil das Straßenbild prägten. In der Bleecker Street hingen ohnehin oft welche, aber zu dieser Jahreszeit wirkten sie nicht einfach bunt und grell, sondern festlich.
    Molly schaute auf die Uhr. An der nächsten Ecke machte sie an dem koreanischen Deli halt, wo sie sich jeden Morgen einen zweiten Kaffee gönnte. Sie wärmte sich an dem Pappbecher die Hände und hielt ihn hoch, sodass ihr der Dampf ins Gesicht stieg. Obwohl sie jetzt schon fast vier Jahre in Caroles Vintage-Laden arbeitete, plante sie für den Weg zur Arbeit immer noch zu wenig Zeit ein. Sie kam ständig zu spät, dabei waren es von ihrer Wohnung aus an Dannys Schule vorbei nur einige Blocks.
    Während sie weitereilte, warf sie ab und zu einen Blick in die Schaufenster. Vor
Encore
, dem Hauptkonkurrenten des
Secret Wardrobe
, blieb Molly einen Moment stehen. Eine Lichterkette aus roten Chilischoten umrahmte das Fenster. In der Auslage waren lederne Handtaschen in gedämpften Farben und Plaids zu sehen. In einer Ecke des Schaufensters stand eine Kleiderpuppe in einem todschicken Abendkleid aus den fünfziger Jahren, in der anderen eine Puppe in einer Motorradjacke und Jeans à la James Dean. Molly schüttelte nachsichtig den Kopf. Die Dekoration eines typischen Trödlerladens. Schade, denn sie sah, dass die Handtaschen echt waren. Und das Abendkleid hatte möglicherweise sogar einmal eine Frau wie Greta Garbo getragen.
    Doch Frank, der Besitzer, hatte einfach keine Ahnung von Schaufenstergestaltung. Plötzlich tauchte er selbst hinter der James-Dean-Puppe auf und winkte Molly vergnügt zu. Dabei zeigte er auf sein Fenster und hob den Daumen, als wolle er sagen: «Nicht schlecht, was?» Molly lachte und erwiderte die Geste.
    Ihre Chefin war schon an der Arbeit, als Molly eintraf. Die Rollläden waren hochgezogen, aber die Lichter im Laden brannten noch nicht. Molly schob die Tür auf, und kalte Luft strömte in den Verkaufsraum. Die Ladenglocke bimmelte.
    «Morgen, Carole!», rief sie fröhlich, während sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht schob und ein paar Schneeflocken von den geröteten Wangen wischte.
    «Ich bin hier. Komme sofort», war eine schwache Stimme aus dem Hinterzimmer zu vernehmen.
    Molly wickelte ihren Schal ab und verstaute ihn zusammen mit ihrer Handtasche hinter der Ladentheke.
    Ihre Stiefel klapperten über den blanken Holzboden, als sie die Strahler einschaltete, die die verschiedenen Kleiderständer im Verkaufsraum beleuchteten.
    Carole stellte immer nur etwa zehn Kleiderständer in den Verkaufsraum. Sie passte ihr Angebot gern der Jahreszeit an und richtete sich nach den Modetrends. Die zahlreichen Stylistinnen unter ihren Kundinnen und die neuesten Ausgaben der
Vogue
hielten sie diesbezüglich auf dem Laufenden.
    Die Kleiderstangen waren aus Edelstahl, und die schön zurechtgemachten und gebügelten Stücke hingen auf hölzernen Kleiderbügeln. Carole achtete streng darauf, dass die Bügel einen Abstand von zehn Zentimetern hatten. Sie fand es schrecklich, wenn Kundinnen Stapel von Klamotten durchwühlen mussten, um etwas zu finden.
    In einer Ecke des Ladens war ein schlichtes Regal angebracht, in dem Hüte und Tücher präsentiert wurden, und vor den Fenstern standen zwei lange Bänke mit Glaskästen voller kleinerer Accessoires – Broschen, Haarspangen und Kopfschmuck. Deckenhohe Spiegel hingen an den Wänden.
    Molly beugte sich ins Schaufenster, um zu überprüfen, ob die Scheibe sauber war. Der Kontrast zur Auslage des
Encore
hätte größer nicht sein können. Carole fand gewöhnliche Schaufensterpuppen geschmacklos, daher hatte sie sich vor Urzeiten zwei Puppen von einer Trachtenausstellung im Metropolitan Museum of Art besorgt.
    Wie ihr das gelungen war, hatte Molly nie erfahren, aber sie sahen großartig aus. Sie waren wunderschön aus Holz gearbeitet und mit cremeweißem Samt überzogen. Zurzeit trug die eine einen schwarzen Nadelstreifenanzug von Ralph Lauren aus den sechziger Jahren und die andere ein langes Kleid aus elfenbeinfarbener Spitze, das Oscar de la Renta in den frühen Siebzigern entworfen hatte.
    Bis auf die beiden Kleiderpuppen und eine gute Beleuchtung war das Schaufenster leer, sodass man von draußen gut in den Verkaufsraum sehen konnte.
    An den meisten Tagen ging Carole auf Beutezug. Wenn sie wusste, dass ein großes Anwesen verkauft worden war, nahm sie
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