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Das Glück mit dir (German Edition)

Das Glück mit dir (German Edition)

Titel: Das Glück mit dir (German Edition)
Autoren: Lily Tuck
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am Steuer, sagt Nina und schiebt seine Hand weg.
    In Angangueo mieten sie sich in einem kleinen Hotel nahe der Plaza de la Constitución ein. Sie sind die einzigen Touristen und werden fortwährend angestarrt. Vor dem Abendessen besichtigen sie die Kirche. Aus einem Impuls heraus zündet Nina eine Kerze an.
    Für wen?, fragt Philip.
    Nina zuckt mit den Achseln. Ich weiß es nicht. Für uns.
    Gute Idee, meint Philip und drückt ihre Schulter.
    Als sie am nächsten Morgen aufstehen, sind ihre Körper von roten Stichen übersät. Flöhe.
    Über eine Stunde lang marschieren sie hinter dem Führer, den sie angeheuert haben, einen gewundenen, schmalen Pfad entlang, der kontinuierlich bergauf führt. Sie gehen hintereinander, Philip vor ihr. Groß und schlank, hinkt Philip ein wenig beim Gehen – als Kind ist er einmal vom Baum gefallen und hat sich das Bein gebrochen, und der Schienbeinknochen ist nicht gerade zusammengewachsen. Doch der Hauch von Verwundbarkeit, den ihm das verleiht, erhöht nur seine Anziehungskraft. Bisweilen hat Nina ihm vorgeworfen, er würde das Hinken übertreiben, um Mitgefühl zu erregen. Meist jedoch bemerkt man das Hinken kaum, außer, wenn er müde ist oder sie Streit haben.
    Der Himmel ist leicht bedeckt und es ist kalt – sie sind ja auch ziemlich weit oben. An die zweitausendfünfhundert Meter hoch, schätzt Philip. Hohe Tannen nehmen ihnen die Aussicht. Die Luft ist feucht und das Atmen fällt schwer. Wie weit noch? Sie will fragen, lässt es aber, als der Bergführer plötzlich stehen bleibt und auf etwas deutet. Zunächst sieht Nina nicht, waser meint. Ein orangefarbener Teppich auf dem Waldboden. Blätter. Nein. Schmetterlinge. Tausende und Abertausende. Als sie aufblickt, sieht sie noch mehr Schmetterlinge, wie Bienenkörbe hängen sie von den Bäumen. Ein paar Exemplare fliegen apathisch von einem Baum zum nächsten, doch die meisten Falter rühren sich nicht.
    Sie sehen aus wie tot, sagt sie.
    Sie sind im Winterschlaf, antwortet Philip.
    Auf dem Weg zurück in die Stadt versucht Philip es ihr zu erklären. Es gibt zwei Theorien darüber, wie diese Monarchfalter jedes Jahr an den gleichen Ort zurückfinden – erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die meisten nie zuvor hier gewesen sind. Eine Theorie besagt, dass sie eine geringe Menge Magnetit im Körper haben, das ihnen als Wegweiser in diese Berge dient, die voller Magneteisenerz sind, der zweiten Theorie nach verfügen die Schmetterlinge über einen inneren Kompass …
    Nina hört nicht mehr zu. Schau. Sie deutet auf ein paar leuchtend rote Pflanzen, die unter den Tannen wachsen.
    Limóncillos , sagt der Führer und tut, als würde er aus etwas trinken, das er in der Hand hält.
    Sí , antwortet Nina. Inzwischen hat sie Durst.
    Von Angangueo aus fahren sie nach Puerto Vallarta, wo sie die letzten Tage ihrer Hochzeitsreise verbringen wollen. Im Auto schließt Nina die Augen und versucht zu schlafen, als Philip ganz plötzlich bremst und sie gegen das Armaturenbrett geschleudert wird. Sie sind mit irgendwas zusammengestoßen.
    Oh mein Gott! Ein Kind!, schreit Nina.
    Ein Schwein ist über die Straße gelaufen, Philip konnte nicht mehr bremsen. Mit gebrochener Wirbelsäule liegt das Schwein mitten auf der Straße und quiekt. Bei jedem Quieken füllt dunkles Blut sein Maul. In kürzester Zeit tauchen, scheinbar aus dem Nichts, Männer, Frauen und Kinder auf, versammeln sich am Straßenrand und beobachten die Szene. Philip und Nina steigen aus dem Auto und bleiben nebeneinander stehen. Es ist sehr heiß und sehr hell.
    Tu doch was, Philip, sagt sie, die Hand zum Schutz über die Augen gelegt. Das Schwein hört sich an wie ein Baby.
    Was soll ich denn tun?, fragt Philip. Seine Stimme ist ungewohnt schrill. Es töten?
    Ein Mann mit Strohhut nähert sich Philip. Der Mann hat einen Stock in der Hand. Philip zieht seine Geldbörse aus der hinteren Hosentasche und gibt ihm wortlos zwanzig Dollar. Der Mann nimmt die zwanzig Dollar und sagt seinerseits kein Wort zu Philip.
    Wieder im Auto, sprechen Nina und Philip erst miteinander, als sie in Puerto Vallarta eintreffen und Nina sagt: Schau, das Meer.
    Dann erzählt er ihr von Iris.
    Ein Unfall.
    An diesem Abend im Bett sagt Philip: Ich frage mich, ob der Typ mit dem Hut und dem Stock wirklich der Besitzer des Schweins war. Könnte auch irgendwer gewesen sein.
    Ja, stimmt Nina zu. Könnte irgendwer gewesen sein.
    Diese Flöhe, sagt sie außerdem, treiben mich zum Wahnsinn.
    Mich auch, sagt Philip
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