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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht
Autoren: Dean Koontz
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Blick auf das Geschehen hinter der Absperrung zu haben.
    »Sieht nicht gerade so aus wie das Publikum, das man in der Oper antrifft«, sagte Michael, während er und Carson sich einen Weg durch die Gaffer auf dem Gehsteig und dem Joggingpfad bahnten. »Oder bei Monstertruck-Rallyes, wenn wir schon dabei sind.«
    Im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert war diese Gegend unter heißblütigen Kreolen beliebt gewesen, die sich hier in Duellen miteinander maßen. Sie trafen sich nach Sonnenuntergang bei Mondschein und rasselten mit Säbeln, bis Blut floss.
    Heute blieb der Park über Nacht geöffnet, doch die Kontrahenten traten nicht wie in alten Zeiten mit ebenbürtigen Waffen gegen Ebenbürtige an. Räuberische Wesen pirschten sich an ihre Opfer heran und waren zuversichtlich, in diesem Zeitalter, in dem die Zivilisation aus den Fugen zu geraten schien, ihrer Strafe zu entkommen.
    Jetzt hielten uniformierte Bullen die Unholde zurück, von denen jeder Einzelne der Mörder hätte sein können, der zurückgekehrt war, um im Nachspiel des Mordes zu schwelgen. Hinter ihnen war das gelbe Band, mit dem der Tatort abgeriegelt wurde, wie Karnevalsgirlanden von einer Eiche zur anderen gespannt und versperrte einen kleinen Bereich des Joggingpfads am Rand der Lagune.
    Viele der anwesenden Beamten und der Leute vom CSI-Team waren mit Michael und Carson bekannt: Manche unter ihnen mochten sie, andere beneideten sie, und von einigen
wenigen wurden sie verabscheut. Carson war als jüngste Beamtin aller Zeiten zum Detective befördert worden, Michael hatte es als Zweitjüngster geschafft. Für den raschen Aufstieg zahlte man einen Preis.
    Auch für seinen persönlichen Stil, wenn es nicht gerade der herkömmliche war, zahlte man einen Preis. Und bei manchen Zynikern von der Sorte, die ihre Zeit bis zur Pensionierung totschlagen wollten, zahlte man einen Preis dafür, wenn man seine Arbeit so tat, als glaubte man tatsächlich daran, dass der Job wichtig war und dass Gerechtigkeit eine Rolle spielte.
    Gleich hinter der Absperrung blieb Carson stehen und sah sich am Tatort um.
    Eine Frauenleiche trieb mit dem Gesicht nach unten im brackigen Wasser. Ihr blondes Haar war fächerförmig ausgebreitet wie ein Heiligenschein und leuchtete dort, wo Sonnenstrahlen durch das Laub der Bäume drangen.
    Da in den Ärmeln ihres Kleides Luft eingeschlossen war, trieben auch die Arme der Toten gut sichtbar auf der Wasseroberfläche. Sie endeten in Stümpfen.
    »New Orleans«, sagte Michael und zitierte einen der werbewirksamen Aufhänger, die sich das Fremdenverkehrsbüro kürzlich hatte einfallen lassen, »lockt mit seinen romantischen Bayous.«
    Das CSI-Team erwartete ihre Anweisungen und hatte den Tatort noch nicht betreten. Die Leute waren Carson gefolgt und standen jetzt am äußeren Rand des abgesperrten Bezirks, um mit der Spurensicherung zu beginnen.
    Als die Detectives, die mit der Untersuchung betraut waren, mussten Carson und Michael einen systematischen Plan formulieren: die exakte Geometrie der Suche festlegen, wovon und aus welchem Blickwinkel sie Aufnahmen haben wollten, mögliche Quellen für Anhaltspunkte …
    In diesen Angelegenheiten beugte sich Michael meistens
Carsons Urteil, da auf ihre Intuition, die er, nur um sie zu ärgern, Hexenhokuspokus nannte, im Allgemeinen Verlass war.
    Zu dem nächstbesten Uniformierten auf dem Schauplatz sagte Carson: »Welcher Officer hat dem Ruf Folge geleistet?«
    »Ned Lohman.«
    »Wo ist er?«
    »Dort drüben hinter den Bäumen.«
    »Warum zum Teufel zertrampelt er den Tatort?«, fragte sie barsch.
    Wie eine Antwort auf ihre Frage tauchte Lohman mit zwei Detectives von der Mordkommission hinter den Eichen auf. Die beiden waren ältere Modelle, Jonathan Harker und Dwight Frye.
    »Dick und Doof«, stöhnte Michael.
    Obwohl sie zu weit weg waren und das Gespräch nicht gehört haben konnten, sah Harker sie finster an. Frye winkte ihnen zu.
    »Das gibt Stunk«, sagte Carson.
    »Und wie«, stimmte Michael ihr zu.
    Sie stürzte sich nicht auf die Eindringlinge, sondern wartete, bis die Detectives auf sie zukamen.
    Wie schön es doch gewesen wäre, den Mistkerlen ins Knie zu schießen, um den Tatort vor ihren Verheerungen zu bewahren. Und viel befriedigender als ein lauter Ruf oder ein Warnschuss.
    Als Harker und Frye sie erreichten, hatten beide ein selbstgefälliges Lächeln aufgesetzt.
    Ned Lohman, der uniformierte Beamte, war so klug, Carsons Blicken auszuweichen.
    Carson riss sich zusammen.
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