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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht
Autoren: Dean Koontz
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Entfernung von wenigen Zentimetern beobachtet, und doch konnte er nicht sagen, was aus der Münze geworden war.
    Oft hatte er über diese Illusion nachgedacht. Vergebens.
    Jetzt schüttelte Nebo den Kopf. »Ist das echte Magie oder nur ein Trick?«
    Deucalion erwiderte lächelnd: »Und wie klingt es, wenn man mit einer Hand klatscht?«
    »Selbst nach all diesen Jahren bist du mir immer noch ein Rätsel.«
    »Wie das Leben selbst.«
    Nebo sah sich an der Decke um, als erwartete er, die Münze dort an einer der geschnitzten und bemalten Lotusblüten kleben zu sehen. Dann senkte er seinen Blick wieder auf Deucalion. »Dein Freund in Amerika hat den Brief an sieben verschiedene Namen adressiert.«
    »Ich habe noch viel mehr Namen benutzt.«
    »Ärger mit der Polizei?«
    »Schon lange nicht mehr. Nur … ständig auf der Suche nach einem Neubeginn.«
    »Deucalion …«, sagte der Mönch.
    »Ein Name aus der alten Mythologie – heute kennen ihn
die meisten nicht mehr.« Er stand von dem Stuhl auf, ohne dem pochenden Schmerz von den zahllosen Nadelstichen Beachtung zu schenken.
    Der alte Mann wandte sein Gesicht nach oben. »Wirst du in Amerika wieder ein Leben auf Jahrmärkten führen?«
    »Auf Jahrmärkten ist kein Platz mehr für mich. Missgeburten werden heute nicht mehr ausgestellt. Es ist alles nicht mehr so wie in früheren Zeiten. Heute spricht man von Political Correctness, und das Monstrositätenkabinett lässt sich damit nicht vereinbaren.«
    »Aber früher, als es das alles noch gab, welche Rolle hattest du da?«
    Deucalion wandte sich von den Mandalas an der Wand ab, die im Kerzenschein schimmerten. Sein frisch tätowiertes Gesicht war im Schatten verborgen. Als er antwortete, ging ein hintergründiges pulsierendes Leuchten durch seine Augen, wie das Zucken eines Blitzes hinter dichten Wolken.
    »Sie nannten mich … das Monster.«

2
NEW ORLEANS
    Der morgendliche Stoßverkehr auf der I-10 strömte so träge wie der Mississippi, der sich durch New Orleans wälzt.
    Als Detective Carson O’Connor in Metairie vom Expressway fuhr, weil sie die Durchgangsstraßen benutzen wollte, um schneller voranzukommen, nahm der Vormittag eine Wendung zum Schlechteren.
    Während sie endlos an einer Kreuzung festsaß, knetete sie ungeduldig das Lenkrad ihrer Limousine, die nicht als Polizeifahrzeug gekennzeichnet war. Da sie zunehmend das Gefühl hatte zu ersticken, kurbelte sie ihr Fenster herunter.
    Schon um diese Morgenstunde waren die Straßen die reinsten Backroste. Aber selbst die Schwachköpfe von den Fernsehnachrichten würden es sich verkneifen, auf dem Bürgersteig ein Ei zu braten. Selbst wenn man Journalismus studiert hatte, blieben einem noch genug Gehirnzellen übrig, um zu begreifen, dass man auf diesen Straßen sogar Speiseeis scharf anbraten konnte.
    Carson mochte die Hitze, aber die Luftfeuchtigkeit konnte sie nicht ausstehen. Vielleicht würde sie eines Tages in eine nettere Gegend ziehen, wo es heiß, aber trocken war. Nach Arizona zum Beispiel. Oder Nevada. Oder in die Hölle.
    Ohne einen Meter voranzukommen, beobachtete sie, wie die Uhr auf dem Armaturenbrett von einer Minute zur
nächsten sprang – und dann entdeckte sie den Grund für die Verkehrsstockung.
    Zwei junge Rowdys in den Farben einer der Straßengangs blieben jedes Mal, wenn die Ampel auf Grün schaltete, auf dem Fußgängerüberweg stehen, um den Verkehr zu blockieren. Drei andere fertigten die Autoschlange ab. Sie nahmen sich einen Wagen nach dem anderen vor, klopften an die Scheiben und erpressten Geld.
    »Wir waschen Ihre Windschutzscheibe. Für zwei Mäuse.«
    Es klang wie das Prasseln von Schüssen aus halbautomatischen Waffen, als in einem Wagen nach dem anderen die Wagentüren verriegelt wurden, während die Jungunternehmer ihre Werbemasche abzogen, aber kein Wagen konnte sich von der Stelle bewegen, solange der Fahrer den Wegezoll nicht berappt hatte.
    Derjenige, der offenbar der Anführer war, tauchte an Carsons Fenster auf, selbstgefällig und übersprühend vor aufgesetzter guter Laune. »Ich putz’ Ihnen die Scheibe, Gnädigste. «
    Er hielt einen schmutzigen Lappen hoch, der aussah, als sei er aus einem der zahlreichen von Unkraut überwachsenen Kanäle der Stadt gefischt worden.
    Eine schmale weiße Narbe auf einer braun gebrannten Backe wies an etlichen Stellen Wucherungen auf, wo sie geklammert worden war, was darauf schließen ließ, dass er an einem Tag, an dem Dr. Frankenstein in der Notaufnahme Dienst gehabt hatte, in
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