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Das Geschenk

Das Geschenk

Titel: Das Geschenk
Autoren: ikarus 2.0
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Ja und Amen gesagt, und ihm seinen Willen gelassen. Nachdem ich nun drei Wochen lang hektische Festtagsvorbereitungen, bunte Jahresendgrußkarten, penetranten Zimtgeruch, anhaltenden  Spekulatiusterror und ungezügelte Lamettascharmützel überlebt hatte, dachte ich, dass ich auch das - mehr oder weniger unbeschadet - überstehen würde. Und zum Glück wartete ja um achtzehn Uhr die Arbeit auf mich. 
     
    Aber natürlich wurde das Fest ein Fiasko! Die Gans war außen verbrannt und innen noch roh, Frau Obele hatte schon um drei eine halbe Flasche Eierlikör intus und erzählte unentwegt aus ihrer umfangreichen, tragischen Krankengeschichte. - Seehr detailliert! Ich sag' nur: 'Verdauung'! - Oder von damals, als die Russen kamen. Immer abwechselnd. Tante Klärchen kippte ihren fünften Melissengeist-Sanddorncocktail und stimmte frohgelaunt ein Liedchen von Heino an:
     
    '… Ja, ja, so schön, schön, schön, blüht der Enzian …' - sie war nicht ganz textsicher und trällerte weiter - '… Mit ihren süß, süß, süß, süßen Lippen fing es an …' Sie hakte sich bei Frau Obele ein, zerrte sie zu sich und wollte schunkeln. Aber Frau Obele hat seit zwei Wochen ein ganz neues künstliches Hüftgelenk. … Ihr Schrei klang gar nicht gut …   
     
    Die Neffen stritten sich inzwischen um die Fernbedienung und dabei fiel der blöde Baum um – zum Glück elektrische Kerzen – und stürzte auf den Adventskranz – dummerweise echte Kerzen – und ich hatte grade noch Zeit mit dem Sektkühler zu löschen, als es klingelte und der Nikolaus vor der Tür stand. Mein Süßer war da schon mit den Nerven am Ende, aber er lächelte freundlich, um Schlimmeres zu verhindern.
     
    Der bestellte Student mit dem Rauschebart hatte so eine Art Lodenmantel an, der zu groß war und nicht richtig saß, während er selber doch schon ziemlich einen sitzen zu haben schien. Nachdem die halslosen Ungeheuer ihn und uns, mit den vermeintlichen Erfolgen ihres Geigenunterrichts gequält und ein triefiges Gedicht vorgestottert hatten, hielt er sich plötzlich die Hand vor den Mund, grunzte ein:
     
    „Wo ist das Bad?“, rannte hinein und übergab sich lautstark.
     
    „Entschuldigung!“, sagte er als er zurück kam. „Ich bin seit Mittag unterwegs und überall gibt’s Schnäpse.“
     
    Er verabschiedete sich und wankte aus der Tür. Dann gab es endlich die Bescherung.
     
     
    Ich hatte ja so lange überlegt was ich dem Liebsten schenken sollte. - Eigentlich haben wir ja alles.  - Ich dachte es müsse etwas persönliches sein. Ganz für ihn alleine. Etwas was ihm Zeit und Muße schenken würde. Etwas was ewig hielte und ihn täglich an unsere Liebe erinnern würde. … Ich habe es mir wirklich nicht leicht gemacht. Aber ich war mir sicher, das Richtige gefunden zu haben.
    Im allgemeinen Geschenke tauschen gab ich ihm dann das große, wunderhübsch verpackte Paket. Er wog es in der Hand. Es war schwer.
     
    'Na, mach's schon auf!', sagte ich und beobachtete lächelnd, wie er voller Vorfreude das Geschenkpapier abriss, den Karton aufmachte und hinein sah … Er stand da, wie vom Blitz getroffen.
     
    'Volltreffer!', dachte ich erleichtert. Damit hat er bestimmt nicht gerechnet.
     
    'Was ist es denn?“, fragte seine bescheuerte Schwester neugierig und blickte ihm über die Schulter.
     
    Er schluckte hörbar.
     
    'Ein … ein … Es ist ein …  ein … Schnellkochtopf!', antwortete er mit zittriger Stimme.
     
    Ich machte den großen Fehler zu fragen:
     
    'Und?? Gefällt er dir???'
     
    Über den Rest hülle ich lieber den Schleier des Vergessens. Ich erinnere mich dunkel an Worte wie 'egoistisches Arschloch' , 'das ist der Dank', 'schieb' dir deinen Kochtopf sonst wohin', an den Rest seiner Meschpoke, der sich einmischte und daran, dass alle meinen armen Liebsten bedauerten, der in Tränen aufgelöst war und schluchzend, mit dem Kochtopf in der Hand, vor dem schiefen Baum stand. Als seine Mutter ihn dann tröstend in die Arme nahm und mir böse Blicke zu funkelte, wusste ich, dass es an der Zeit war zu gehen.
     
    'HAU' DOCH AB, ZU DEINEM BLÖDEN BOCK', hörte ich ihn noch, als ich schon im Treppenhaus war.
     
     
    Erleichtert zog ich die Haustür hinter mir zu, klappte den Kragen hoch und ging zu meinem Auto. … Blinkende Lichterketten am Dönerimbiss, hastende, bepackte Menschen die gestresst und hektisch ihren letzten Geschäften nachgingen, bevor auch sie in den Abgrund der Bescherung gestoßen werden würden.
     
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