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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris
Autoren: Anke Dietrich
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»Ich habe keine Beweise für ihre Schuld. Wenn aber Djefahapi oder Ipuwer in die Sache verwickelt sind, hätte ich womöglich mein Leben aufs Spiel gesetzt.«
    Amunhotep war fassungslos und konnte nur mit Mühe seinen Zorn unterdrücken. »Wo leben wir denn, Netnebu, in Kemi oder in einem dieser barbarischen Länder, in denen Maat, die göttliche Ordnung, nicht herrscht? Ist die Priesterschaft von Abydos so tief gesunken, dass sie ihren Gott, dem sie dienen soll, bestiehlt und sich gegenseitig bedroht?« Wütend hieb er mit der Faust auf den Tisch, sodass die Trinkschalen hüpften. »Du hast dich der Mittäterschaft strafbar gemacht, indem du geschwiegen hast, du hast tatenlos zugesehen, wie dein Gott bestohlen wird. Du kannst deine Strafe aber mildern, indem du hilfst, Licht in diesen Sumpf aus Veruntreuung und Bedrohungen zu bringen. Bist du dazu bereit, Netnebu? Wirst du Ramses dabei behilflich sein?« Amunhoteps Blick durchbohrte den Freund, welcher seufzte und nickte.
    »Ja, ich will meinen Fehler wieder gutmachen«, gelobte Netnebu im Flüsterton. Dann straffte er den Rücken und sah Amunhotep fest in die Augen. »Es tut mir leid, dass ich so feige war. Ich habe nicht nur meinen Gott, sondern auch meinen König verraten. Ich verdiene es, von Seiner Majestät bestraft zu werden. Ich will jedoch helfen, dass Maat wieder regiert. Sag, was ich tun soll, und ich werde es tun.«
    »Du hast bereits etwas getan«, erwiderte Amunhotep, und verdutzt sah Netnebu ihn an. »Du hast mir erzählt, was du weißt und was dir aufgefallen ist. Halte Augen und Ohren auch weiterhin offen und verschließe sie nicht. Ich glaube dir, dass du mit diesen Machenschaften nichts zu tun hast, aber du hast dich durch dein Schweigen und Wegsehen ebenfalls schuldig gemacht. Allerdings hast du den Mut aufgebracht, deine Schuld einzugestehen, und ich weiß, dass du treu zum Pharao stehst. Bei Djefahapi und Ipuwer bin ich mir da nicht so sicher.«
    »Was wirst du jetzt tun?«
    »Ich werde mich ein wenig im Tempel umsehen, doch es darf niemand erfahren, was der wahre Grund meines Hierseins ist. Morgen begebe ich mich nach Theben zurück und erstatte dem Mitregenten und dem Wesir über die Zustände hier Bericht.«
    Verwirrt starrte Netnebu Amunhotep an. »Und wie willst du deinen plötzlichen Aufbruch begründen? Immerhin ist deine Ankunft nicht unbemerkt geblieben. Djefahapi wird es auch nicht entgangen sein. Sie werden argwöhnisch werden, wenn du morgen schon wieder fährst.«
    Amunhotep lächelte verschmitzt. »Im Laufe des morgigen Tages wird eine wichtige Botschaft von meinem Vater für mich eintreffen. Als folgsamer Sohn muss ich dann leider sofort meinen Besuch abbrechen, denn wenn mein Vater mich an sein Krankenbett ruft, habe ich zu gehorchen.«
    Netnebu glaubte, sich verhört zu haben. »Das verstehe ich nicht. Woher konntest du wissen, dass du so schnell alles in Erfahrung bringst, was nötig ist?«
    »Wie ich sagte, Netnebu, du bist mein Freund, und ich wusste, dass du nicht so verdorben sein kannst, als dass du an solch üblen Machenschaften beteiligt bist. Ich war mir sicher, dass du mir alles erzählen wirst, wenn dir darüber etwas bekannt sein sollte.« Amunhotep blickte dem Osiris-Priester fest in die Augen. »Ich wäre sehr enttäuscht gewesen, wenn es anders gewesen wäre.«
    Netnebus Miene hellte sich zusehend auf, und er schmunzelte. »Du bist und bleibst ein Schlitzohr, Amunhotep.«
     
    * * *
     
    Am nächsten Morgen begab sich Amunhotep zum Haus des Oberpriesters. Er wollte Djefahapi seine Anwesenheit im Tempel melden und ihn um die Erlaubnis bitten, ein paar Tage in Abydos verweilen zu dürfen, um seinen Freund Netnebu zu besuchen und im Lebenshaus seine Studien fortzuführen.
    Als er auf den Eingang in der Umfassungsmauer zutrat, kam ihm ein mürrisch dreinblickender Torwächter entgegen.
    »Ist der Oberpriester zu Hause?«, fragte Amunhotep mit befehlsgewohnt fester Stimme, und misstrauisch blickte der Wächter ihn an.
    »Wer bist du, dass du nach ihm fragst? Ich habe dich noch nie zuvor hier gesehen.«
    »Ich bin der Vorsteher der Vorlesepriester im Tempel des Großen Gottes Amun«, entgegnete Amunhotep mit einem verächtlichen Unterton und nahm den Torwächter von Kopf bis Fuß Maß.
    »Dem aus Theben?«
    »Na welchem denn sonst.« Amunhotep wurde langsam ungeduldig. »Ist dein Herr zu Hause oder nicht?«
    »Ja, ich bin hier«, ertönte die tiefe, wohlklingende Stimme eines alten Mannes, der sich unbemerkt den
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