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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris
Autoren: Anke Dietrich
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beiden Männern genähert hatte. »Sieh an, Besuch aus Theben.« Djefahapi trat schmunzelnd auf Amunhotep zu, der sich vor dem alten Oberpriester des Osiris verneigte, was dieser mit einem leichten Nicken abtat. »Man sagte mir bereits, dass du gestern angekommen bist. Gibt es einen besonderen Grund für dein Hiersein oder treibt dich dein Wissensdurst nach Abydos?«
    »Sowohl als auch. Ich will einen Freund besuchen und möchte dich um die Erlaubnis bitten, mich ein paar Tage im Tempel aufhalten zu dürfen, um die heiligen Schriftrollen zu studieren.«
    »Dieser Wunsch sei dir gewährt, Heri-tep.« Djefahapis Blick fixierte den jüngeren Priester, dessen Gesicht keine Gefühlsregung preisgab. »Wie geht es meinem Amtskollegen in Opet-sut? Ich hoffe doch, er erfreut sich bester Gesundheit.«
    »In der Tat«, entgegnete Amunhotep betont gelassen. »Ramsesnacht geht es ausgezeichnet, doch meinem Vater leider nicht. Nesamuns Gesundheit ist in letzter Zeit recht angeschlagen. Er verspürt neuerdings ein heftiges Stechen in der Brust, und kein Arzt kann ihm helfen. Vielleicht finde ich hier in Abydos die richtige Behandlungsmethode.« Amunhotep hatte eine bekümmerte Miene aufgesetzt. »Er lässt dich grüßen und hat mir diesen Brief an dich mitgegeben.« Er reichte dem Oberpriester die Schriftrolle, die er in der rechten Hand hielt.
    »Leider habe ich keine Zeit, um dir meinen Tempel zu zeigen«, erwiderte Djefahapi, und Amunhotep entging nicht, dass der Oberpriester vom Osiris-Heiligtum sprach, als wäre es sein Eigentum. »Wenn du heute Abend noch nichts vorhast, würde ich mich allerdings freuen, dich als meinen Gast bewirten zu dürfen.« Der Anflug eines Lächelns zeigte sich auf Djefahapis schmalen Lippen, aber seine Augen blieben wie gewohnt kalt.
    »Es wäre mir eine Ehre.«
    Amunhotep verneigte sich und begab sich zurück in Netnebus Haus, wo dieser bereits auf ihn wartete.
    »Was gedenkst du in der verbleibenden Zeit zu tun?«, erkundigte sich Netnebu.
    » Ich werde mir den Tempelbezirk ansehen und vor allem die Baustelle. Vielleicht schlendere ich noch zum Heiligtum von Osiris Sethos I. und dessen Sohn. Im Anschluss nehme ich wie geplant meine Studien in der Bibliothek des Lebenshauses auf, und wenn das Schreiben meines Vater kommt, kehre ich unverzüglich nach Theben zurück.«
    »Dann komm, mein Freund, ich habe etwas Zeit und werde dir alles zeigen.«

ZWEI
     
     
     
     
     
     
     
    Ibiranu stand mit auf dem Rücken gefalteten Händen an der Kaimauer des Hafens in Theben und überwachte höchstpersönlich das Entladen seiner kostbaren Güter. Soeben brachten die von ihm angeheuerten Arbeiter die langen, schnurgerade gewachsenen Stämme an Land, die als Fahnenmaste für den Tempel der Göttin Mut bestimmt waren.
    »Seid bloß vorsichtig und beschädigt sie mir nicht!«, schnauzte er die Träger an. »Wenn nur einer zerbricht, lasse ich euch von meinen Leuten mit den Einzelteilen das Fell gerben«, drohte er und schnaufte, obwohl er wusste, dass sich die Hafenarbeiter nicht sonderlich darum scherten. Sie waren es gewöhnt, bei der Arbeit von ihren Auftraggebern oder deren Aufsehern beschimpft und auch mal mit dem Stock geschlagen zu werden. Wenn am Abend die Bezahlung aber stimmte, war ihnen das egal. Und Ibiranu entlohnte sie gut.
    Der aus Syrien stammende Holzhändler hatte gerade ein äußerst Gewinn bringendes Geschäft mit den Amun-Priestern unter Dach und Fach gebracht. Dabei hatte er zwei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen. Zum einen war er in der Gunst der thebanischen Obrigkeit gestiegen, zum anderen hatte er einem unliebsamen Konkurrenten einen derben Schlag verpasst.
    Ibiranu grinste schadenfroh, wenn er an diesen frechen Senbi dachte, der seit ein paar Monaten versuchte, im holzhandelnden Gewerbe Fuß zu fassen.
    Holz war in den Beiden Ländern rar. Obwohl sich die Lebensbedingungen seit dem Ableben von Osiris Ramses III. ständig verschlechtert hatten, waren die Kemiter für jede neue Lieferung dankbar, denn die reiche Bevölkerung wollte trotz der Schwierigkeiten nicht auf edles Mobiliar verzichten. Das Geschäft war hart umkämpft. Keiner wollte einen neuen Konkurrenten dulden. Die vier angesehensten Holzhändler hatten sich durch Senbis großzügige Geschenke umstimmen lassen, sodass sie nun seinen Eintritt in das holzhandelnde Gewerbe befürworteten. Nur Ibiranu war dazu nicht bereit. Dank seiner weitverzweigten Beziehungen war es ihm geglückt, drei voll mit Holz beladene Lastkähne
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