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Das Geschenk der Sterne

Das Geschenk der Sterne

Titel: Das Geschenk der Sterne
Autoren: Hans Kruppa
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geschenkt wird?«
    Erneut mußte Min Teng dem Drang widerstehen, den Dolch zu ziehen und Tschuang Tse auf seine letzte Reise zu schicken. »Wenn du mich oder den Prinzen von Sung noch einmal beleidigst, werden dies deine letzten Worte gewesen sein!«
    »Warum trägst du nicht die Uniform eines Soldaten, sondern die Kleidung eines Händlers?« fragte Tschuang Tse unbeeindruckt.
    »Hauptmann Feng gab mir diese Kleidung als Tarnung, damit Prinz Yan auf keinen Fall in Zusammenhang mit deiner Tötung gebracht werden kann.«
    »Wie respektvoll von Prinz Yan!« sagte Tschuang Tse spöttisch. »Er mißt mir offenbar eine so große Bedeutung zu, daß er den Zorn des Volkes fürchtet, falls es erfährt, daß er den Befehl zu meiner Ermordung gegeben hat.«
    In diesem Augenblick klopfte es an der Haustür.
    »Herein!« rief Tschuang Tse, und ein Mann betrat das Zimmer, der in Min Tengs Alter war. Im Gegensatz zu Tschuang Tse war er kräftig gebaut, mit einem Dolch bewaffnet und strahlte Wehrhaftigkeit aus. Über seiner linken Schulter trug er einen Bogen und einen Köcher mit einigen Pfeilen.
    Der Besucher neigte höflich den Kopf und sagte zu
Tschuang Tse: »Ich bin auf dem Weg in den Wald, um einen Hasen zu erlegen. Als ich an deinem Haus vorbeikam, verspürte ich Lust, bei dir hineinzuschauen. Aber ich habe das Gefühl, daß ich störe.«
    »Ich freue mich, dich zu sehen, Huang Sun!« erwiderte Tschuang Tse. »Hoffentlich hast du heute mehr Glück bei der Hasenjagd als beim letzten Mal! Leider bin ich ganz in das Gespräch mit meinem Freund Min Teng vertieft, den ich auf einer meiner Reisen kennengelernt habe. Wir haben uns noch manches Wichtige zu erzählen, und er muß schon bald weiterziehen. Könntest du auf dem Rückweg ins Dorf noch einmal vorbeikommen?«
    Huang Sun bekundete sein Einverständnis mit einem Kopfnicken, verbeugte sich und zog sich aus Tschuang Tses Haus zurück.
    »Wer war das?« fragte Min Teng.
    »Ein Freund.«
    »Warum hast du ihn nicht um Hilfe gebeten?«
    »Warum hätte ich es tun sollen?«
    »Um dein Leben zu retten!«
    »Hätte ich Huang Sun die Wahrheit gesagt, wäre er auf dich losgegangen, um dich zu töten. Und du hättest versucht, ihn zu töten. Huang Sun ist ein hervorragender Kämpfer. Auch du bist sicherlich gut ausgebildet in der Kampfkunst. Einer von euch hätte bei diesem Kampf sein Leben verloren, und das wollte ich verhindern.«
    »Ich verstehe, daß du das Leben deines Freundes schützen möchtest, aber warum das Leben deines Mörders?
Entweder bist du nicht mehr ganz bei Verstand, oder mein Verstand reicht nicht aus, um deine Beweggründe zu erfassen.«
    »Meine Beweggründe wurzeln im Tao, und der Verstand als solcher reicht nicht aus, um das Tao zu erfassen«, antwortete Tschuang Tse. »Der Verstand ist von Natur aus zielgerichtet; er folgt immer einer Absicht, und deshalb steht er nicht in Einklang mit dem Tao und kann das ewig Wahre nicht entdecken. Ich will dir eine kleine Geschichte erzählen: Der Gelbe Kaiser verlor auf einer Reise seine Zauberperle. Er sandte Wissen aus, um sie zu suchen, aber Wissen fand sie nicht. Er sandte Scharfsinn aus, aber Scharfsinn fand sie ebenfalls nicht. Nun sandte er Logik aus, um die Zauberperle zu suchen, aber auch Logik hatte keinen Erfolg. Er schickte Geduld aus, und Geduld ließ sich mit ihrer Suche sehr viel Zeit, doch dann kehrte auch sie mit leeren Händen zum Gelben Kaiser zurück. Schließlich schickte er Absichtslos aus, und Absichtslos fand die Zauberperle und brachte sie dem Gelben Kaiser. Das verwunderte ihn, und vielleicht hat er etwas daraus gelernt. Doch das ist unwahrscheinlich, denn ein Herrscher ist so weit vom Tao entfernt wie ein Ziegenbock vom Gesang.«

DER ATEM ALLEN LEBENS

    »Ich habe schon öfter vom Tao gehört, doch niemand konnte mir bislang seine Bedeutung erklären«, sagte Min Teng. »Auch deine Worte haben mich nicht klüger gemacht!«
    »Wenn ich dir sage, das Tao ist der höchste Sinn und die tiefste Wahrheit, der wahre Weg und die größte Kraft, sind das nur Worte, die dir nicht weiterhelfen. Wenn ich dir sage, daß sich mit Worten nicht erklären läßt, was das Tao ist, sind auch das nur Worte, die dir nicht weiterhelfen. Das Tao ist jenseits aller Worte und aller Dinge. Es ist die Quelle allen Lebens. Wohin kein Wort reicht, dort ist das Tao.«
    »Warum gibt es ein Wort für etwas, das mit Worten nicht erklärt werden kann?« fragte Min Teng.
    »Warum soll es kein Wort für etwas Unerklärliches geben?
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