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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus
Autoren: Isabel Allende
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gegen den bösen
Blick machten, ihren Einzug gehalten. Sie brachten die Leiche
von Onkel Marcos und sein ganzes Gepäck. Ein kleines
Männlein im schwarzen Gehrock, einen zu großen Hut auf dem
Kopf, setzte gerade salbungsvoll zu einer feierlichen Rede an,
um die Umstände des Todesfalls zu erklären, als er jäh von
Nivea unterbrochen wurde, die sich auf den staubigen Sarg mit
den sterblichen Überresten ihres Bruders warf und rief, sie
sollten den Sarg öffnen, sie wolle den Toten mit eigenen Augen
sehen. Denn da sie ihn bei einer früheren Gelegenheit schon
einmal hatte beerdigen müssen, hoffte sie, daß sein Tod auch
diesmal nicht endgültig wäre. Ihr Geschrei rief die gesamte
Dienerschaft aus dem Haus, und alle Kinder liefen zusammen,
als ihnen der Name ihres Onkels im Totenklageton in den Ohren
schallte.
    Clara hatte ihren Onkel seit Jahren nicht mehr gesehen, aber
sie erinnerte sich seiner genau. Es war das einzige vollkommen
klare Bild aus ihrer Kindheit, und um es sich ins Gedächtnis zu
rufen, hatte sie es nicht nötig, sich erst die Daguerreotypie im
Salon anzusehen, auf der er im Kostüm eines
Forschungsreisenden dastand, auf eine altmodische Doppelflinte
gestützt, den rechten Fuß auf dem Hals eines malaiischen
Tigers, in der gleichen Siegerpose, war ihr aufgefallen, wie die
Muttergottes am Hauptaltar, die zwischen Gipswolken und
bleichen Engeln den Fuß auf den besiegten Teufel setzte. Clara
brauchte nur die Augen zu schließen, um ihren Onkel leibhaftig
vor sich zu sehen, braungebrannt von den Unbilden aller
Klimate der Erde, mager, mit einem Seeräuberschnauzbart,
unter dem sein seltsames Haifischzahnlächeln hervorsah. Es
konnte nicht sein, daß er in dieser schwarzen Kiste im Hof lag.
    Bei jedem Besuch, den Marcos im Haus seiner Schwester
Nivea machte, blieb er mehrere Monate lang, was bei seinen
Nichten und Neffen, besonders bei Clara, Entzücken und im
Haus einen Wirbelsturm hervorrief, in dem jegliche Ordnung
Schiffbruch erlitt. Das Haus füllte sich mit Überseekoffern,
einbalsamierten Tieren, Indianerlanzen, Seesäcken. Überall
stolperte man über seinen exotischen Plunder, kam nie
gesehenes Getier zum Vorschein, das die Reise aus fernsten
Erdteilen nur überstanden hatte, um plattgedrückt unter dem
unerbittlichen Besen der Nana zu enden, in welchem Winkel es
versteckt sein mochte. Onkel Marcos benehme sich wie der
reinste Kannibale, pflegte Severo zu sagen. Nächtelang
vollführte er im Wohnzimmer unbegreifliche Bewegungen,
Übungen, erfuhr man später, die dazu dienen sollten, die
geistige Kontrolle über den Körper zu vervollkommnen und die
Verdauung anzuregen. In der Küche unternahm er
alchimistische Experimente, die das ganze Haus mit stinkenden
Dunstwolken füllten und die Töpfe ruinierten, auf deren Boden
sich feste, nicht mehr zu entfernende Substanzen bildeten.
Während die anderen zu schlafen versuchten, schleifte er seine
Koffer durch die Gänge, erzeugte auf Musikinstrumenten von
Eingeborenen schrille Pfeiftöne und brachte einem Papagei aus
dem Amazonasgebiet Spanisch bei. Tagsüber schlief er in einer
auf dem Gang zwischen zwei Säulen ausgespannten
Hängematte, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, der Severo
in übelste Laune versetzte, den Nivea aber entschuldigte, weil
Marcos sie davon überzeugt hatte, daß so der Nazarener
gepredigt hätte. Obwohl Clara damals noch klein war, erinnerte
sie sich an das erste Mal, als Onkel Marcos von einer Reise
zurückgekehrt war. Er richtete sich ein, als wollte er für immer
bleiben. Aber bald wurde es ihm langweilig, bei den Kränzchen
der unverheirateten Töchter klavierspielender Hausherrinnen zu
erscheinen, Karten zu spielen und das Drängen seiner
sämtlichen Verwandten abzuwehren, er solle endlich Vernunft
annehmen und als Assistent im Rechtsanwaltsbüro Severo del
Valles arbeiten. Er kaufte sich eine Drehorgel und zog mit ihr
durch die Straßen, in der Absicht, seine Cousine Antonieta zu
verführen und nebenbei das Publikum mit seiner
Leierkastenmusik zu erfreuen. Der Apparat war nur eine
verrottete Kiste auf Rädern, aber er bemalte sie mit Motiven aus
der Seefahrt und setzte ihr einen falschen Dampferschornstein
auf, so daß sie wie ein Küchenherd aussah. Die Drehorgel
spielte abwechselnd einen Militärmarsch und einen Walzer, und
während Marcos kurbelte und kurbelte, rief der Papagei, der
Spanisch sprechen gelernt hatte, seinen ausländischen Akzent
aber behielt, mit
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