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Das Geiseldrama

Das Geiseldrama

Titel: Das Geiseldrama
Autoren: Stefan Wolf
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Schuld, nämlich einen Mord auf sich laden: vor 40 oder 50 Zeugen.
Das käme teuer. Aber wenn ich Ihnen den Sabbel poliere — ehrlich, ich mach’s
umsonst. Das bleibt also billig.“
    Schorbach machte eine Bewegung,
als wollte er seine Waffe hochreißen. Die Oliviri stoppte ihn.
    „Laß, Heinz! Das ist ein
Angeber. Lohnt nicht, daß du dich seinetwegen aufregst. Aber geh mal hoch zu
Felix. Der scheint wirklich zu pennen.“
    Zu Tarzan sagte sie: „Wir haben
die Schule besetzt. Du gehörst jetzt zu unseren Geiseln. Setz dich irgendwo
hin!“
    Tarzan lächelte sanft, als er
zu dem Tisch ging, an dem Gaby und Klößchen saßen. Sobald er den Terroristen
den Rücken kehrte, kniff er ein Auge zu. Gleichzeitig zog er einen Mundwinkel
hoch.
    Alle sahen das. Zweimal
wiederholte er das Signal. Und die meisten begriffen, daß es was zu bedeuten
hatte. Nur fragen konnte keiner.
    Er setzte sich neben Gaby und
berührte ihre Hand.
    „Hallo, Pfote!“
    „Hallo“, hauchte sie.
    „Schönen Gruß von deinem Papi.
Und deiner Mami! Und von Karl und allen andern.“
    Seine Freundin machte ein
Gesicht, als fielen Weihnachten, Ostern und ihr Geburtstag auf einen Tag.
„Ach…“
    „Pst!“ machte er. „Die Oliviri
luchst mit den Ohren. Brrr, wie die Neu mich anstiert! Dieser Kerl dort, der
aussieht, als hätte er eine Macke, ist das der Macke? Willi, warum bist du
nicht angezogen? Aus dir...“
    „Ruhe!“ brüllte Macke. Und zu
Tarzan gewandt: „Du kennst die Spielregeln noch nicht, du Großmaul. Hier
herrscht Ruhe. Keiner redet. Verstanden?“
    Was die Spielregeln betrifft,
dachte Tarzan, wirst du dich noch wundern.
     
    *
     
    Es wurde ein langer, ein
endloser langer Samstag.
    Mindestens drei Terroristen
bewachten ständig die Geiseln. Der Beobachter auf dem Dach wurde von Zeit zu
Zeit ausgewechselt. Warum Ohnesorge Tarzan nicht bemerkt hatte, blieb
ungeklärt.
    Immerhin lockerte sich die
Situation. Niemand befahl Ruhe. Die Gefangenen konnten sich unterhalten und —
unter Aufsicht — Verpflegung aus der Küche holen. Endlich kamen die Köchin und
die Küchenhilfen wieder zum Zuge.
    Tarzan, Gaby und Klößchen
flüsterten miteinander. Danach hatten Tarzans Freunde Mühe, auf ihren Sitzen zu
bleiben. Selbst Klößchen, der inzwischen Ärmel und Hosenbeine seines Pyjamas
aufgerollt hatte, war munter geworden. Später verhalten ihm fünf
Frühstückssemmeln und zwei Kannen mit kaltem Kakao auch zu innerem
Gleichgewicht.
    Francesca Oliviri wandelte
mehrmals, begleitet von der Neu, zum Lehrerzimmer, wo das Telefon benutzt
wurde, wie Tarzan inzwischen von Gaby erfahren hatte. Also wurde verhandelt.
    Scheingefechte, dachte er
verächtlich. Ihr merkt es nur nicht. Aber morgen früh ist der Bart ab.
    Der Nachmittag verging. Man
improvisierte (ohne Vorbereitung erfinden) Spiele. Die meisten Geiseln
hatten sich an ihre Situation gewöhnt. Denn unmittelbare Gefahr drohte
scheinbar nicht.
    Aber gegen Abend zeigten die
Terroristen Nervosität. Die Nacht war ihr Feind. In der Dunkelheit nützte der
Wachposten auf dem Dach nichts.
    Dann schnappte Tarzan Teile
einer Unterhaltung auf zwischen Macke und Hanna Neu.
    „...habe den Bullen erklärt“,
sagte sie, „daß wir den Speisesaal mit allen, die drin sind, in die Luft jagen,
wenn sie uns angreifen. Mit dem Nitro (Nitroglyzerin = Sprengstoff), habe
ich gesagt.“
    „Gut so. Da riskieren die
nichts. Aber wo ist das Nitro? Noch im Wagen? Hol’s her, Hanna! Die sollen
nicht denken, wir bluffen nur.“
    Tarzan, der in der Nähe der
beiden saß, hatte den Kopf auf den Tisch gelegt und stellte sich schlafend.
Jetzt beobachtete er, wie die Frau hinaus ging. Als sie kurze Zeit später
zurück kam, hielt sie eine große Flasche in den Händen. Es war eine
Limonadenflasche jener Firma, von der auch das Internat beliefert wurde: eine
sogenannte Familienflasche mit anderthalb Liter Inhalt.
    Hanna Neu hielt sie vorsichtig,
ging damit um wie mit einem rohen Straußenei. Tarzan wußte: Wenn die Flasche zu
Boden fiel, würde hier im Speisesaal niemand überleben.
    Ein Schauder kroch ihm über den
Rücken. Er äugte zu Gaby und Klößchen. Aber die dösten in der gleichen Haltung
wie er und hatten nichts bemerkt. Auch die andern nicht. Längst achtete niemand
mehr auf die Terroristen, die ständig irgendwas umher schleppten und immer mit
Waffen klirrten.
    Neben der Tür zur Küche stand
ein Tisch in der Ecke. Besteckkästen waren dort gestapelt. Kannen standen da
und Tabletts.
    Hanna Neu trat zu dem
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