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Das Geheimnis von Winterset

Das Geheimnis von Winterset

Titel: Das Geheimnis von Winterset
Autoren: Candace Camp
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einigen Jahren gestorben. Die einzige Möglichkeit wäre eine Cousine ihres Vaters, die allerdings alle Hände voll damit zu tun hatte, ihre fünf Töchter an den Mann zu bringen.
    Schon vor Jahren hatte sie Anna gegenüber unmissverständlich klargemacht, dass sie wenig Interesse daran hatte, noch ein Mädchen bei sich im Haus zu haben - zumal eines, das ihre eigenen, wenig reizvollen Töchter in den Schatten stellen würde.
    Dann gab es natürlich noch ihre Freundin Miranda, die einen Pfarrer geheiratet hatte und nun in der Nähe von Exeter lebte. Anna hatte sie schon oft besucht und wusste, dass Miranda sie willkommen heißen würde, aber ihre Freundin hatte bereits zwei Kinder und lag derzeit das dritte Mal im Wochenbett. Ihre Schwiegermutter war gekommen, um ihr mit dem Baby zu helfen, und Anna bezweifelte, dass für sie neben der Amme, den Kindern und der Schwiegermutter noch viel Platz in dem kleinen Pfarrhaus sein würde.
    Zudem würde ihre plötzliche Abreise just in dem Moment, wo Reed zurückkehrte, Anlass zu allerlei unwillkommenen Vermutungen geben - und das musste Anna unbedingt vermeiden. Sie würde also hierbleiben und versuchen, Reed aus dem Weg zu gehen. Und sollten sie sich doch zufällig einmal begegnen, würde sie höflich lächeln, ein wenig belanglos plaudern, und alles wäre überstanden.
    Immerhin waren seitdem drei Jahre vergangen. Sie dachte eigentlich gar nicht mehr an ihn ... meistens jedenfalls - und wahrscheinlich erging es ihm genauso. Er hatte die letzten drei Jahre in London verbracht, und Anna war sich sicher, dass es dort nicht an Frauen mangelte, um seine Stimmung zu heben. Vielleicht hatte er ja sogar geheiratet.
    Der bloße Gedanke daran versetzte ihr einen Stich im Herzen, selbst wenn sie sich streng ermahnte, nicht so dumm und selbstsüchtig zu sein. Ein begehrter Junggeselle, gut aussehend und charmant wie Reed es war, konnte mühelos eine neue Liebe finden, und genau das wünschte Anna ihm auch. Natürlich tat sie das. Denn sie war längst über ihn hinweggekommen und hatte ihre Träume von einst begraben. Wenn eine erneute Begegnung ihr nun einen immer noch beschämend großen Schmerz verursachte, dann sicher nicht deshalb, weil sie ihn noch liebte!
    Verärgert schüttelte sie den Kopf und schnalzte kurz mit der Zunge, um ihr Pferd zu wenden und die Auffahrt wieder hinunterzufahren. Sie wollte sich auf keinen Fall wie ein unsterblich verliebtes Mädchen aufführen. Vor drei Jahren hatte sie nur getan, was sie tun musste, und sie bedauerte es nicht. Nein, kein bisschen. Dieser Teil ihres Lebens gehörte der Vergangenheit an, und sie würde nicht zulassen, dass Reed Morelands Rückkehr ihre Gefühle erneut in Aufruhr brachte.
    Sie schlug mit den Zügeln, trieb das Pferd vorwärts und versuchte dabei, den Gedanken daran zu verdrängen, dass sie letztlich nur vor sich selbst davonlief.
    Während der nächsten Tage achtete Anna darauf, sich unablässig mit etwas zu beschäftigen, damit sie möglichst wenig an Reed und seine baldige Ankunft denken musste. Sie erledigte alle Stopfarbeiten, die sich in ihrem Nähkorb angesammelt hatten, machte das Babyjäckchen für Mirandas Neugeborenes fertig und bestickte ein Fichu aus weißem Leinen, das sie sich vor einigen Monaten gekauft hatte. Außerdem beantwortete sie endlich all ihre Briefe der letzten Wochen und besuchte einige ihrer alten Pächter. Jeden Tag unternahm sie zudem einen langen Spaziergang, denn sie hatte festgestellt, dass ihr dies stets half, innerlich zur Ruhe zu kommen.
    Drei Tage nach ihrem Besuch im Pfarrhaus brach sie erneut zu einer ihrer Wanderungen auf. Diesmal schlug sie den Weg ein, der hinter dem Haus durch den Garten nach Osten führte, wo er sich schon bald gabelte. In der einen Richtung gelangte man in den Wald, der sich am Fuße von Craydon Tor erstreckte und der zu Annas liebsten Ausflugszielen gehörte. Doch heute entschied sie sich für den anderen Weg, der in einem weiten Bogen um den Berg herumführte, und auf dem man schließlich bis an die Ländereien von Winterset gelangte. Anna war diesen Weg bestimmt schon hundertmal gegangen, doch in den letzten drei Jahren hatte sie es immer vermieden, bis nach Winterset zu laufen. Auch heute wollte sie auf halbem Wege bei der großen Viehweide abbiegen und über die Wiese zum Bach hinuntergehen, denn dort, unter den hohen Bäumen, durch deren Blätter das Sonnenlicht in hellen Flecken tanzte, und wo das Wasser sanft plätscherte, konnte sie in aller Ruhe
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