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Das Geheimnis von Winterset

Das Geheimnis von Winterset

Titel: Das Geheimnis von Winterset
Autoren: Candace Camp
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standen zwei steinerne Säulen, die den Zaun überragten und auf denen je ein in Stein gehauener Jagdhund mit aufmerksam gespitzten Ohren wachte. Es hieß, dass die Jagdhunde von Lord Jasper de Winter, der das Herrenhaus im siebzehnten Jahrhundert hatte erbauen lassen, für die beiden grimmig aussehenden Skulpturen Modell gestanden hatten.
    Zwischen dem Zaun und dem Haus befand sich ein kleiner Hof, durch den ein breiter Kiesweg verlief, der von der Auffahrt bis zur Eingangstür führte. Das Haus selber war symmetrisch angelegt, mit einem weitläufigen Mittelbau und je zwei kurzen Seitenflügeln mit spitzen Giebeln. Es war aus einem gelblichen, fast schon honigfarbenen Sandstein erbaut, der im Laufe der Jahre jedoch nachgedunkelt und an vielen Stellen von Flechten bedeckt war.
    Wenn die Sonne so hell schien wie heute, leuchteten die Steine in einem warmen Goldton, an trüben Tagen jedoch wirkte das Gebäude düster und unheimlich.
    Seine großen Fenster und die steinerne Balustrade, die den Mittelbau krönte, verliehen dem Haus ein elegantes Aussehen. Über das Dach verstreut ragte eine Vielzahl von Schornsteinen auf, die spiralförmig behauen waren, und an den Dachfirsten befanden sich Skulpturen wilder Greifvögel.
    Anna sah zu dem Gebäude hinauf. Sie hatte Winterset schon immer geliebt, und bereits als Kind hatten die fantastischen Vogelwesen und die gedrehten Schornsteine auf den Dächern sie begeistert. Doch als sie das Haus nun betrachtete, verstand sie auf einmal die fast abergläubische Unruhe, die manche Leute beim Anblick von Winterset überkam. Die vielen Schornsteine und die Statuen schufen eine befremdliche Atmosphäre und ließen das Haus - besonders an wolkenverhangenen Tagen - unheimlich und furchterregend wirken. Die Statuen der beiden Jagdhunde, die ihren lebenden Vorbildern erschreckend ähnlich sahen, verstärkten die Atmosphäre unbestimmter Bedrohung nachdrücklich. Trotz der Spuren, die die Zeit hinterlassen hatte, erschienen die Gesichter der Hunde noch immer lebensecht, sodass man fast meinen konnte, sie würden einen bedrohlich ins Auge fassen. Anna dachte, dass das künstlerische Geschick des Steinmetzes sicher zu der Legende beigetragen hatte, die besagte, dass die beiden Jagdhunde bei Vollmond von ihren Säulen sprangen, mit rot glühenden Augen dem Ruf ihres längst verstorbenen Herren Lord Jasper de Winter folgten und mit ihm auf eine gespenstische Jagd durch die Nacht gingen.
    Als sie neben sich im Gebüsch ein Rascheln vernahm, fuhr sie herum. Von dem dichten Laubwerk fast verdeckt, stand ein Mann und beobachtete sie.

2. KAPITEL
    Anna fasste die Zügel wieder fester, und das Herz schlug ihr plötzlich bis zum Hals. Doch als die Gestalt aus dem Gebüsch hervorkam und schließlich vor ihr auf dem Fahrweg stand, entspannte sie sich.
    „Grimsley. Ich habe Sie gar nicht erkannt."
    Jahre der gebückten Arbeit über Pflanzen und Gräsern ließen den schmächtigen Mann ein wenig gebeugt gehen. Er hob die Hand und nahm seine Kappe ab, unter der ein wirrer Schopf grau gesträhnter dunkler Locken zum Vorschein kam.
    „Guten Tag, Miss", erwiderte Grimsley und neigte zur Begrüßung ehrerbietig den Kopf. Einst war er Hauptgärtner auf Winterset gewesen, und während all der Jahre, in denen das Haus leer gestanden hatte, war er als Hausmeister geblieben.
    „Wie geht es Ihnen?", erkundigte Anna sich höflich.
    „Sehr gut, Miss. Nett von Ihnen, danach zu fragen." Er grinste sie an und zeigte dabei seine schiefen Zähne. „Das alte Anwesen ist immer noch eine prächtige Schönheit, nicht wahr, Miss?"
    „Ja. Mir hat Winterset schon immer sehr gefallen." Anna zögerte kurz und fügte dann hinzu: „Wie ich gehört habe, wird der Eigentümer bald zurückkehren."
    Grimsley nickte eifrig. „Ja, Miss, das stimmt. Mr. Norton war heute hier und hat es mir gesagt. Er meinte, dass die Herrschaften zurückkommen. Vielleicht sind Sie dann ja auch wieder öfter hier."
    Rasch schüttelte Anna den Kopf. „Nein, das denke ich nicht."
    „Es ist nicht gut für das Haus, wenn keine de Winters mehr dort leben."
    „Ich bin mir sicher, dass Lord Moreland Ihnen ein guter Dienstherr sein wird."
    „Er ist aber kein de Winter", beharrte Grimsley. Er drehte sich um und sah zu dem Gebäude hinauf. „Das Haus ist einsam ohne die Familie. Es war nicht gut, dass Lord de Winter es verlassen hat, um in die Wildnis zu gehen."
    „Nach Barbados", ergänzte Anna. Wenn sie und Mr. Grimsley sich in den letzten Jahren
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