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Das Geheimnis von Orcas Island

Das Geheimnis von Orcas Island

Titel: Das Geheimnis von Orcas Island
Autoren: Nora Roberts
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verwirrten Ausdruck in ihren Augen. Ihr Reaktion rührte ihn.
    Sie hatte alles vergessen. Sie konnte ihn nur anstarren, verblüfft über die Gefühle, die sie durchströmten. Unwillkürlich schlossen sich ihre Finger um sein Hemd. Sie bekam einen Eindruck von Stärke, einer rücksichtslosen Stärke mit möglicher Gewalt. Dass er sie erregte, machte sie sprachlos.
    »Möchten Sie etwas?« murmelte Ronald.
    »Was?«
    Er dachte daran, sie zu küssen, den Mund hart auf ihren zu pressen. »Ich habe gefragt, ob Sie etwas möchten.« Er schob die Hände unter ihrem Pullover zu ihrer Taille hoch.
    Die Wärme, der Druck seiner Finger brachten sie zurück. »Nein.« Sie wollte zurückweichen, fand sich noch immer festgehalten und kämpfte gegen die aufsteigende Panik. Bevor sie wieder sprechen konnte, hatte er sie losgelassen.
    Enttäuschung. Eine seltsame Reaktion, dachte sie.
    »Ich wollte …« Sie holte tief Luft und wartete, dass sie sich beruhigte. »Ich wollte fragen, ob Sie alles gefunden haben, was Sie brauchen.«
    Er löste den Blick von ihrem. »Es sieht so aus.«
    Sie fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen, um sie zu befeuchten. »Gut. Ich habe viel zu tun, also lasse ich Sie jetzt allein.«
    Er nahm ihren Arm, bevor sie zurücktreten konnte. Vielleicht war es nicht klug, aber er wollte sie erneut berühren. »Danke für die Handtücher.«
    »Gewiss.«
    Er beobachtete, wie sie hinauseilte, und wusste, dass sie genauso aufgewühlt war wie er. Nachdenklich zog er eine Zigarette hervor. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so leicht aus dem Gleichgewicht gebracht worden zu sein. Gewiss nicht von einer Frau, die nicht mehr getan hatte, als ihn anzusehen. Doch gewöhnlich landete er auf den Füßen.
    Es könnte vorteilhaft für ihn sein, ihr nahe zu kommen, ihre Reaktion auf ihn auszunutzen. Er ignorierte eine Woge der Selbstverachtung und entzündete ein Streichholz.
    Er hatte einen Job zu erledigen. Er konnte es sich nicht leisten, in Charity Ford mehr zu sehen als ein Mittel zum Zweck.

2. K APITEL
    Der Morgen graute, und der Himmel im Osten war fantastisch. Ronald stand am Rand der schmalen Straße, die Hände in die Hosentaschen gesteckt. Obgleich er selten Zeit dazu hatte, genoss er solche Morgen, wenn die Luft kühl und funkelnd klar war. Er hatte sich dreißig Minuten versprochen, dreißig einsame, beruhigende Minuten.
    Sonnenschein drang durch die Wolken, verlieh ihnen wilde, lebhafte Farben und Formen. Traumformen. Er erwog, sich eine Zigarette anzuzünden, entschied sich dann dagegen. Im Moment wollte er nur die Morgenluft schmecken, gewürzt von der See.
    Ein Hund bellte in der Ferne. Möwen, die zu einem frühen Mahl aufbrachen, flogen über das Wasser, zerrissen die Stille mit ihren Schreien. Der Duft nach Blumen, ein Feiern des Frühlings, wehte zart mit der stillen Brise herüber.
    Er fragte sich, warum er so sicher gewesen war, dass er die Hektik und den Lärm von Großstädten bevorzugte.
    Er sah ein Reh aus dem Wald kommen und witternd den Kopf heben. Das ist Freiheit, dachte er plötzlich. Seinen Platz zu kennen und damit zufrieden zu sein. Das Reh bahnte sich vorsichtig einen Weg durch das hohe Gras. Hinter ihm kam ein hochbeiniges Kitz. Ronald blieb gegen den Wind stehen und beobachtete, wie sie ästen.
    Er war rastlos. Obgleich er versuchte, den Frieden um sich her aufzunehmen, durchdrang ihn Ungeduld. Dies war nicht sein Platz. Er hatte keinen Platz. Das war eines der Dinge, die ihn so perfekt für seinen Job machten. Keine Wurzeln, keine Familie, keine Frau, die auf seine Rückkehr wartete. So wollte er es.
    Aber es hatte ihm eine enorme Zufriedenheit vermittelt, die Tischlerarbeiten am Vortag auszuführen, sein Zeichen auf etwas Dauerhaftem zu hinterlassen. Umso besser für seine Tarnung. Wenn er Geschick und Sorgfalt bei der Arbeit zeigte, würde er eher akzeptiert werden.
    Er wurde bereits akzeptiert. Charity vertraute ihm. Sie hatte ihm ein Dach über dem Kopf und Verpflegung und einen Job gegeben, in dem Glauben, dass er alle drei brauchte. Sie schien keine Tücken zu haben. Etwas hatte am Vorabend zwischen ihnen geschwelt, und dennoch hatte sie nichts getan, um es zu provozieren oder zu verlängern. Sie hatte ihn nur angesehen, und alles, was sie fühlte, hatte deutlich in ihren Augen gestanden.
    Er durfte von ihr nicht als Frau denken. Er durfte von ihr niemals als seine Frau denken.
    Er verspürte erneut den Drang nach einer Zigarette und unterdrückte ihn bewusst. Wenn man
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