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Das Geheimnis von Orcas Island

Das Geheimnis von Orcas Island

Titel: Das Geheimnis von Orcas Island
Autoren: Nora Roberts
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Kleinbus und in das Gasthaus zu bringen. Wenn die Details an diesem Ende erledigt worden waren, dann handelte es sich um eine Routinesache. Wenn nicht, dann würde er einen anderen Weg finden.
    Um Zeit zu gewinnen, bückte er sich und band seinen Schnürsenkel. Die wartenden Wagen wurden an Bord der Fähre gelassen, und die Fußgänger waren bereits an Deck. Es standen nun nicht mehr als ein Dutzend Wagen auf dem Parkplatz, einschließlich des Kleinbusses. Er nahm sich noch einen Moment, um seine Jacke aufzuknöpfen, als er die Frau sah.
    Ihr Haar war in einem Zopf zurückgekämmt, nicht offen wie auf dem Aktenfoto. Es schien im Sonnenschein von einem tieferen, satteren Blond zu sein. Sie trug eine große getönte Brille, die ihr halbes Gesicht verdeckte, aber er wusste, dass er sich nicht irrte. Er sah ihre zarte Kieferpartie, die kleine gerade Nase, den vollen, schön geformten Mund.
    Seine Informationen waren zutreffend. Sie war einsachtundsechzig, wog hundertzehn Pfund, hatte eine zierliche, sportliche Figur. Ihre Kleidung war lässig – Jeans, ein weiter wollweißer Pullover über einer blauen Bluse. Die Bluse passte vermutlich zu ihrer Augenfarbe. Die Jeans waren in knöchelhohe Wildlederstiefel gesteckt, und ein Paar Kristallohrringe baumelte von ihren Ohren.
    Sie ging zielstrebig, mit einem klappernden Schlüsselbund in einer Hand und einer großen Leinentasche über der Schulter. Es war nichts Kokettes an ihrem Gang, doch er fiel einem Mann auf. Lange, geschmeidige Schritte, ein sanfter Hüftschwung, Kopf erhoben, Augen geradeaus gerichtet.
    Ja, einem Mann fällt so etwas auf, dachte Ronald, während er die Zigarette wegschnippte. Er vermutete, dass sie es wusste. Und wartete, bis sie den Wagen erreicht hatte, bevor er sich ihr näherte.
    Charity hörte auf, den letzten Satz von Beethovens Neunter zu summen, blickte hinab auf den rechten Vorderreifen und fluchte. Weil sie sich unbeobachtet wähnte, trat sie dagegen, dann ging sie zur Rückseite, um den Wagenheber zu holen.
    »Haben Sie Probleme?«
    Sie zuckte zusammen, ließ den Wagenheber beinahe auf ihren Fuß fallen, wirbelte dann herum.
    Ein harter Bursche. Das war ihr erster Gedanke, als sie Ronald anstarrte. Seine Augen waren gegen die Sonne zusammengekniffen. Er hatte eine Hand um den Riemen seines Rucksacks gelegt und die andere in die Tasche gesteckt. Sie legte eine Hand auf ihr Herz, vergewisserte sich, dass es noch schlug, lächelte dann.
    »Ja, ich habe einen Platten. Ich habe gerade eine Familie mit vier Kindern zur Fähre gebracht, von denen zwei unter sechs Jahre und Anwärter für die Besserungsanstalt sind. Ich bin mit den Nerven am Ende, die Rohre in Haus sechs sind kaputt, und mein Faktotum hat gerade im Lotto gewonnen. Wie geht es Ihnen?«
    In der Akte war nicht erwähnt, dass sie eine Stimme wie café au lait hatte, die starke, dunkle Art, die man in New Orleans trank. Er registrierte es, deutete dann auf den Platten. »Soll ich ihn wechseln?«
    Charity hätte es selbst tun können, aber es war nicht ihre Art, angebotene Hilfe abzulehnen. Außerdem konnte er es wahrscheinlich schneller, und er sah so aus, als könnte er die fünf Dollar gebrauchen, die sie ihm zu geben gedachte. »Danke.« Sie reichte ihm den Wagenheber. »Sind Sie gerade mit der Fähre gekommen?«
    »Ja.« Ihm lag nichts an Smalltalk, aber er benutzte ihn – und ihre Freundlichkeit – so geschickt wie den Wagenheber. »Ich bin ein bisschen umhergereist. Ich dachte mir, ich bleibe eine Weile auf Orcas. Mal sehen, ob ich ein paar Wale entdecken kann.«
    »Sie sind an den richtigen Ort gekommen. Gestern habe ich von meinem Fenster aus eine Herde gesehen.« Sie lehnte sich gegen den Lieferwagen, genoss den Sonnenschein. Während er arbeitete, beobachtete sie seine Hände. Stark, fähig, schnell. Sie schätzte es, wenn jemand einen einfachen Job gut erledigte. »Sind Sie auf Urlaub?«
    »Auf Reisen. Ich nehme hier und da Gelegenheitsarbeiten an. Kennen Sie jemanden, der Hilfe braucht?«
    »Vielleicht.« Mit geschürzten Lippen beobachtete sie, wie er den Reifen abzog. »Was für Arbeit?«
    »Dies und das. Wo ist der Ersatz?«
    »Ersatz?« Länger als zehn Sekunden in seine Augen zu blicken wirkte wie eine Hypnose.
    »Reifen.« Sein Mundwinkel zuckte leicht in einem widerstrebenden Lächeln. »Sie brauchen einen, der nicht platt ist.«
    »Richtig. Der Ersatz.« Kopfschüttelnd über ihre eigene Dummheit, ging sie ihn holen. »Er ist hinten im Wagen.« Sie drehte sich um
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