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Das Geheimnis von Orcas Island

Das Geheimnis von Orcas Island

Titel: Das Geheimnis von Orcas Island
Autoren: Nora Roberts
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etwas so sehr begehrte, dann war es das Beste, es zu übergehen. Sobald man nachgab, verlor man die Kontrolle.
    Er hatte Charity begehrt. Einen kurzen, blendenden Moment lang hatte er sie ersehnt. Ein sehr ernster Fehler. Er hatte das Verlangen unterdrückt, aber es war immer wieder aufgestiegen – als er sie für die Nacht in den Flügel hatte kommen hören, als er den sanften Klängen von Chopin, die leise aus ihren Räumen gedrungen waren, gelauscht hatte. Und erneut mitten in der Nacht, als er in der tiefen ländlichen Stille erwacht war und an sie gedacht hatte.
    Er hatte keine Zeit für Sehnsüchte. An einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit, hätten sie sich begegnen und einander genießen können, so lange Vergnügungen andauerten. Doch nun war sie ein Teil eines Auftrags – nicht weniger und nicht mehr.
    Er hörte rennende Schritte und spannte sich instinktiv. Das Reh, so wachsam wie er, hob den Kopf, sprintete dann mit seinem Jungen zurück in den Wald. Ronalds Waffe war kurz oberhalb des Knöchels festgeschnallt, eher aus Gewohnheit als aus Notwendigkeit, aber er griff nicht danach. Wenn er sie brauchte, konnte sie in weniger als einer Sekunde in seiner Hand liegen. Stattdessen wartete er gefasst, um zu sehen, wer im Morgengrauen über die einsame Straße rannte.
    Charity atmete schnell, eher aus dem Bemühen, mit ihrem Hund Schritt zu halten als von dem Dreimeilenlauf. Ludwig sprang voraus, zog nach rechts, zerrte nach links, verhedderte und entwirrte die Leine. Es war eine tägliche Routine, an die beide gewöhnt waren. Charity hätte den kleinen goldbraunen Cocker unter Kontrolle halten können, aber sie wollte ihm den Spaß nicht verderben. Daher schwenkte sie mit ihm ab, wechselte das Tempo von einem raschen Sprint zu einem gemächlichen Dauerlauf und wieder zurück.
    Sie zögerte flüchtig, als sie Ronald sah. Dann, weil Ludwig vorausstürmte, umfasste sie die Leine fester und hielt Schritt.
    »Guten Morgen«, rief sie, kam dann abrupt zum Stillstand, als Ludwig beschloss, an Ronalds Schienbeinen hochzuspringen und ihn anzubellen. »Er beißt nicht.«
    »Das sagen alle.« Doch er grinste und hockte sich nieder, um den Hund zwischen den Ohren zu kraulen. Ludwig sank sofort nieder, rollte sich herum und bot seinen Bauch zum Streicheln. »Netter Hund.«
    »Ein netter, verwöhnter Hund«, fügte Charity hinzu. »Ich muss ihn wegen der Gäste eingesperrt halten, aber er speist wie ein König. Sie sind früh auf.«
    »Sie auch.«
    »Ich finde, dass Ludwig jeden Morgen einen guten Lauf verdient, weil er so verständnisvoll wegen des Eingesperrtseins ist.«
    Um seine Anerkennung zu zeigen, raste Ludwig einmal um Ronald herum und wickelte die Leine um dessen Beine.
    »Wenn ich ihn nur dazu bringen könnte, das Konzept einer Leine zu verstehen.« Sie bückte sich, um Ronald zu befreien und den inzwischen tänzelnden Hund zu bändigen.
    Ihre leichte Jacke war geöffnet, enthüllte ein bequemes T-Shirt. Ihr Haar, streng aus dem Gesicht gekämmt, unterstrich ihre Gesichtszüge. Ihre Haut wirkte beinahe durchscheinend, da sie vom Laufen glühte. Er hatte den Drang, sie zu berühren, um zu sehen, wie sie sich unter seinen Fingerspitzen anfühlte. Und um zu sehen, ob diese sofortige Reaktion wieder ausbrechen würde.
    »Ludwig, halt einen Moment still.« Sie lachte und zog an seinem Halsband. Als Antwort sprang er hoch und leckte ihr Gesicht.
    »Er gehorcht gut«, bemerkte Ronald trocken.
    »Jetzt sehen Sie, warum ich den Zwinger brauche. Er glaubt, dass er mit jedem spielen kann.« Ihre Hand streifte Ronalds Bein, als sie mit der Leine kämpfte.
    Als er ihr Handgelenk umfasste, erstarrten sie beide. Er spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte. Es war eine unglaublich erregende Reaktion. Obgleich es ihm schwer fiel, hielt er die Finger locker. Er hatte sie nur aufhalten wollen, bevor sie versehentlich seine Waffe fand. Nun hockten sie, Knie an Knie, auf der einsamen Straße, während der Hund versuchte, sich zwischen sie zu drängen.
    »Sie zittern.« Ronald sagte es argwöhnisch, aber er ließ sie nicht los. »Reagieren Sie immer so, wenn ein Mann Sie berührt?«
    »Nein.« Weil es sie verblüffte, hielt sie still und wartete, was als Nächstes passieren würde. »Ich bin ziemlich sicher, dass es das erste Mal ist.«
    Es freute ihn, das zu hören, und es ärgerte ihn, weil er es glauben wollte. »Dann werden wir vorsichtig sein müssen, oder?« Er gab sie frei, stand auf.
    Langsam, weil sie sich ihres
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