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Das Geheimnis von Digmore Park

Das Geheimnis von Digmore Park

Titel: Das Geheimnis von Digmore Park
Autoren: Sophia Farago
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Kreis ihrer Bekannten umgehört. Neulich, als sie mit Mama in Winchester war, um bei der Schneiderin das grüne Reitkleid abzuholen, das sie eben trug, da waren sie beim „Hampshire Chronicle“ vorbeigekommen. Es hatte einiger Überredungskunst bedurft, Lady Portland davon abzubringen, in die Redaktionsstube zu stürmen, um ein Inserat in diese Zeitung setzen. So wenig sich Mama in die Angelegenheiten der Gutsverwaltung einmischte, so sehr konnte sie sich für Abenteuer und moderne Ideen begeistern. Doch Elizabeth war viel zu vernünftig, um ein derartiges Wagnis zu befürworten. Wer wusste denn, welches Gesindel einem da ins Haus kam? Elizabeth seufzte. Sie hatte keinen geeigneten Verehrer, sie hatte keinen Stallmeister, und anscheinend hatte sie noch nicht einmal einen Stallburschen. Das galt zumindest für diesen Augenblick, denn die Stallungen waren verwaist. Niemand kam, um ihre Zügel in Empfang zu nehmen und ihr die Hand zum Absitzen zu reichen. Zum Glück bedurfte sie keiner derartigen Hilfe. Mit geübtem Griff schwang sie sich aus dem Sattel.
    „Joseph!? Joseph! Wo steckst du?“ Warum war der Bursche nicht an seinem Platz? Der Fuchs musste abgerieben werden. Es war nicht gut, das Pferd verschwitzt und gesattelt stehen zu lassen. „Joseph!“
    Alles blieb still. Nur die Äste der Ginsterbüsche raschelten im Wind, und von fern klangen leise die Kirchenglocken herüber, um die Gläubigen zur Abendmesse zu rufen. Das Läuten brachte Elizabeth auf eine Idee: Sie würde den Pfarrer von St. Ann um Hilfe bitten. Mr. Bishop war viel im Landkreis unterwegs, er ging in den besten Häusern ein und aus. Sicher konnte er ihr einen geeigneten Stallmeister empfehlen.
    Nach einem letzten vergeblichen Versuch, ihren Stallburschen durch lautes Rufen auf sich aufmerksam zu machen, führte sie ihr Pferd selbst in seine Box und machte sich dann daran, den jungen Mann aufzuspüren. Sie musste nicht lange suchen. Kaum hatte sie den Stall durch die schmale Seitentür verlassen, als gedämpftes Lachen an ihr Ohr drang. Es kam aus dem Küchengarten, der dereinst von ihrer Großmutter an einem geschützten Platz im Halbschatten, an der Rückseite der Stallungen, angelegt worden war. Der kleine Nutzgarten war nun der ganze Stolz der Köchin; stets liebevoll gepflegt, wurde er immer wieder durch neue Kräuter und Gemüsesorten erweitert. Elizabeth trat näher und sah, dass das Gartentor geöffnet war. Lucy, die Küchenmagd, war damit beschäftigt, Pflanzen mit einem scharfen Messer abzuschneiden. Der Pferdeknecht hatte es sich auf einem der breiten Pfeiler des Gartenzauns gemütlich gemacht. Ein langer Grashalm, an dem er versonnen kaute, steckte in seinem Mund. Mit einem breiten Grinsen sah er dem Mädchen bei seiner Arbeit zu. Anscheinend hatte er soeben etwas Amüsantes gesagt, denn Lucy blickte mit leicht geröteten Wangen zu ihm empor. Auch auf ihren Lippen lag ein strahlendes Lächeln.
    Elizabeth räusperte sich laut und vernehmlich.
    Die Magd ließ vor Schreck die gesammelten Kräuter auf den Boden fallen. Sie fuhr herum, sah ihre Herrin sie mit prüfendem Blick mustern, und das Rot ihrer Wangen vertiefte sich. Rasch stand sie auf und knickste. „Guten Abend, Miss Elizabeth. Ich bin gerade dabei, Marigold abzuschneiden.“ Sichtlich verlegen wischte sie ihre Hände an der ohnehin nicht mehr sauberen Küchenschürze ab. „Die Köchin sagt, nichts gibt frischer Butter eine so schöne Farbe wie Marigold.“
    Joseph war vom Gartenzaun heruntergesprungen, hatte den Grashalm ausgespuckt und tat nun so, als würde er Lucy helfen. Elizabeth, die vorgehabt hatte, mit dem Stallburschen ein ernstes Wort zu reden, brachte es nicht übers Herz. Ihr amüsierter Blick wanderte zwischen den beiden hin und her, es war offensichtlich, dass der Bursche und die Küchenmagd Zuneigung zueinander gefasst hatten. Wie sollte sie wohl am besten auf diese Entdeckung reagieren? In ihrem Inneren kämpften widersprüchliche Gefühle. Einerseits hatte sie nichts dagegen einzuwenden, dass sich die beiden ineinander verliebt hatten. Sollten sie sie einst um die Erlaubnis bitten, heiraten zu dürfen, so würde sie dem nicht entgegenstehen. Auf der anderen Seite waren zwei Verliebte nicht nur Anlass zu ungetrübter Freude. Mit einem Anflug tiefer Sehnsucht nahm sie das schwärmerische Funkeln in Lucys Augen wahr. Und natürlich war ihr das zärtliche Grinsen des Stallburschen nicht entgangen, mit dem er die Küchenmagd betrachtete. Wann würde wohl endlich
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