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Das Geheimnis von Digmore Park

Das Geheimnis von Digmore Park

Titel: Das Geheimnis von Digmore Park
Autoren: Sophia Farago
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frei auf eine Reihe braun verfärbter Zahnstummel.
    Freddy Michaels zog scharf die Luft ein. Was sollte er tun? Wie konnte er sie zurückweisen, ohne das unliebsame Aufsehen zu erregen, das sicher darauf folgen würde? Er wollte sich keinesfalls mit einer Horde betrunkener Matrosen anlegen. Charlie hatte weit weniger Skrupel. „Ja, nimmst du wohl die Hände weg von meinem … Burschen, du dumme Dirne!“ Er packte ihren Arm, um sie von Freddy Michaels wegzuziehen.
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zur Küche, und die Wirtin trat in den Schankraum, eine kleine, dickliche Frau mit fleischigen Armen. Charlie vermochte nicht zu sagen, wie alt sie war. Ihre Schürze war überraschend ordentlich, die grauen Haare am Hinterkopf zu einem festen Knoten zusammengefasst. Sie musterte die beiden neuen Gäste mit sichtlichem Missfallen. „Hände weg von meiner Sally!“, fuhr sie Charlie an. „Wir sind hier ein anständiges Haus! Meine Mädchen werden nicht begrapscht!“ Es fehlte nicht viel, und sie hätte Charlie auf die Hand geschlagen, hätte er das Mädchen nicht ohnehin schon losgelassen gehabt. „Wenn ihr gekommen seid, um Unfrieden zu stiften, dann könnt ihr gleich wieder Leine ziehen!“
    Die Matrosen hatten zu lachen aufgehört und starrten nun mit ebenso neugierigen wie feindseligen Blicken auf die beiden Neuankömmlinge.
    „Ja, gib’s ihm ordentlich, Martha!“, rief der eine.
    „Sag uns, wenn du Hilfe brauchst, Martha!“, der andere. „Wir räumen die zwei weg wie nichts!“
    Das war nicht gerade ein erfolgversprechender Beginn ihrer Quartiersuche. Sie waren müde, die Fahrt mit der „Golden Star of the Sea“ über das Meer hatte fünf Tage gedauert. Das Meer war so aufgewühlt und stürmisch gewesen, dass sie kaum zum Schlafen gekommen waren. Sie sehnten sich nach nichts mehr als nach einer ausgiebigen Mahlzeit und einem möglichst sauberen Bett. Auf dem rollenden und wogenden Schiff war ihnen jeder Appetit vergangen, doch nun, da sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, regte er sich umso deutlicher. Der Bursche hielt es für an der Zeit, das Kommando zu übernehmen.
    „Ich grüße Sie, Frau Wirtin!“, sagte er, zog die Mütze vom Kopf und deutete eine Verbeugung an. Obwohl diese Worte mit formvollendeter Freundlichkeit vorgebracht worden waren, hatte es für das kundige Auge doch den Anschein, als wäre der Bursche derartige Höflichkeitsbezeugungen nicht gewohnt. Die Wirtin aber war viel zu erstaunt, um dies zu bemerken. Solcherart vorgebrachte Galanterie war in ihrer Kneipe noch nie vorgekommen.
    „Wir brauchen Quartier für eine Nacht, der Major und ich. Lassen Sie das größte Zimmer in Ihrem Haus bereiten. Und bringen Sie uns das beste Essen in ein Extrazimmer. Dazu zwei Krüge vom besten Bier, wenn wir bitten dürften. Und das Ganze rasch“, setzte er hinzu, um die Wirtin, die in regungsloses Erstaunen versunken war, auf Trab zu bringen.
    „Wir haben hier kein Extrazimmer nicht“, beschied ihm die stämmige Frau, als sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte. Nach ihrem heftigen Ausbruch von soeben klang sie überraschend kleinlaut.
    „Bleibt doch hier und esst mit uns im Schankraum!“, schlug Sally vor und warf dem großgewachsenen Burschen verheißungsvolle Blicke zu.
    „Sally, ab in die Küche!“, befahl die Wirtin. Das Mädchen folgte nur widerwillig und ließ den Burschen nicht aus den Augen, bis sie hinter der Türe verschwunden war. Ihre katzenartigen Bewegungen brachten dabei nicht nur ihre Röcke zum Schwingen.
    „Das fehlte noch, dass sich ein verdammter eingebildeter Rotrock an unserem Tisch breitmacht!“, protestierte ein Seemann, der seine Sprache wiedergefunden hatte.
    „Da vergeht mir doch gleich der Appetit!“, grölte ein Zweiter.
    Die Faust der Wirtin knallte auf die Ausschank. „In meinem Haus werden keine Soldaten beleidigt!“ Die Matrosen zuckten zusammen und schwiegen wieder. Vor dieser Frau hatten anscheinend auch die wildesten Seeleute gehörigen Respekt.
    „Ich richte euch das Essen in eurer Kammer.“
    Sie hieß den Offizier und seinen Burschen mit einer weit ausholenden Handbewegung, ihr zu folgen. Dann eilte sie voran, die steile Treppe in den ersten Stock hinauf. Sie war dabei so flink und wendig, wie man es ihr bei ihrer Leibesfülle gar nicht zugetraut hätte. Sie stieß die erste Türe zu ihrer Rechten auf. Wie aus Protest begannen die Angeln zu quietschen, und eine Staubwolke empfing die eintretenden Gäste. Es roch
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