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Das Geheimnis von Digmore Park

Das Geheimnis von Digmore Park

Titel: Das Geheimnis von Digmore Park
Autoren: Sophia Farago
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konnte nur hoffen, dass keiner der jungen Soldaten sich ihn zum Vorbild nahm. Seine Hosen, die irgendwann einmal weiß gewesen sein mussten, waren fleckig und grau. Ein Loch am rechten Oberschenkel zeigte noch deutliche Spuren des rostigen Nagels, an dem er beim Verlassen des Schiffes hängen geblieben war. Die schwarzen Reitstiefel, die ordnungsgemäß bis über das Knie zu reichen hatten, endeten bereits an der Wade. Dafür waren die Ärmel des Uniformrocks umso länger, und die ehemals weißen Stulpen verdeckten fast vollständig die schwieligen Hände. Er hatte einen groben Leinensack geschultert und bot alles in allem einen sehr seltsamen Anblick für einen Offizier dieser altehrwürdigen, traditionsbewussten Kompanie.
    Einige Schritte hinter ihm schleppte sein Bursche eine schwere Holzkiste, in der sich vermutlich die anderen Kleidungsstücke seines Herrn befanden. Und der Bursche bot einen kaum weniger seltsamen Anblick. Er trug eine graue Jacke, deren Ärmel knapp unter dem Ellbogen endeten, gerade so, als habe er sich die Kleidung seines jüngeren Bruders geborgt. Die ausgebleichte blaue Kappe auf seinen dunklen, ungewaschenen Haaren verdeckte fast vollständig die obere Gesichtshälfte, während die untere durch einen dichten Vollbart ohnehin nicht zu erkennen war. Seine Stiefel fielen besonders ins Auge: Schwarzes, weiches Leder reichte an seinen langen Beinen bis über die Knie hinauf und wollte damit so gar nicht zur groben Leinenhose passen, die in diesen noblen Schäften steckte. Auch wenn das Schuhwerk über und über mit Kot beschmutzt war: Hatte man je einen Offiziersburschen mit solch edlen Stiefeln gesehen?
    Die Straßen am Hafen von Southampton waren von lebhaftem Treiben erfüllt. Die „Golden Star of the Sea“ hatte vor einer Stunde am Pier angelegt. Nachdem die vornehmen Herrschaften der oberen Decks mit ihrer Dienerschaft das Schiff verlassen hatten, entlud sich nun ein kaum enden wollender Strom an Passagieren aus den dunklen Höhlen des Schiffsrumpfes. Da waren vor allem Soldaten, die auf dem Kontinent für König und Vaterland gekämpft hatten und nun verwundet und verbittert in die Heimat zurückkehrten, um hier einer ungewissen Zukunft entgegenzusehen. Dazwischen Händler, Handwerker, Abenteuerlustige … Sie alle stiegen in Southampton an Land, entweder um in England ihr Glück zu versuchen oder um von ihren Erfahrungen in fremden Ländern zu berichten.
    Der Strom der Ankömmlinge mischte sich mit den Menschen, die aus allen Richtungen herbeieilten, um das große Schiff zu bewundern. Viele kamen, um beim Entladen zu helfen und sich so ein paar Münzen zu verdienen, die sie gut gebrauchen konnten. Wieder andere hielten Ausschau nach ihren Angehörigen. Frauen mit kreischenden Kleinkindern standen an der Kaimauer und schauten zu den Soldaten hinüber, die so schnell das Schiff verließen, wie es ihre im Kriege zerschundenen Körper erlaubten. In ihren Augen leuchtete der vage Funken Hoffnung, ihr Mann, der Vater, käme endlich nach Hause. Niemand beachtete den Offizier und seinen Burschen, die sich ihren Weg durch die Menge hin zum Gasthaus „Zum elenden Piraten“ bahnten. Der Offizier hatte seinen Schritt verlangsamt. „Soll ich nicht doch die Kiste nehmen, Major?“
    Er warf einen skeptischen Blick über die Schulter zu seinem Begleiter zurück. Dieser schüttelte unwillig den Kopf und bedeutete ihm mit seiner freien Hand, sich zu beeilen.
    „Du redest zu viel, Charlie!“ Für diese Worte, zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorgezischt, hatte der Offizier nichts als ein Schulterzucken übrig. Wider Willen musste sein Bursche grinsen. „Außerdem: Gewöhn dir ab, mich Major zu nennen, mein Name ist Freddy, Freddy Michaels. Geht das endlich in deinen verdammten Kopf hinein?“
    Anstatt sich zu beeilen, blieb der Uniformierte nun endgültig stehen und wartete kopfschüttelnd, bis sein Bursche zu ihm aufgeschlossen hatte.
    „Freddy Michaels. Freddy Michaels!“ Sein Kopfschütteln nahm bei jedem seiner Worte an Heftigkeit zu. „Natürlich habe ich’s mir gemerkt. Bin ja nicht blöd. Aber Sie glauben doch selbst nicht, dass mir ein so absurder Name leicht über die Lippen kommt, Major, oder?“
    Sein Bursche seufzte, klopfte ihm dann aber verständnisvoll auf die Schulter: „Du hast ja recht, Charlie! Aber, was soll ich denn machen? Denkst du, für mich ist das alles einfach? Dennoch, wir haben schon so viele Schwierigkeiten gemeinsam gemeistert, Charlie! Wir werden auch aus
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