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Das Geheimnis des toten Fischers

Das Geheimnis des toten Fischers

Titel: Das Geheimnis des toten Fischers
Autoren: Marcia Muller
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verdeckte den ersten Stock. Er konnte oben sein oder im Parterre, wo sich
die Schlafzimmer befanden.
    Ich nahm meine Pistole aus dem
Handschuhfach und steckte sie in das Außenfach meiner Schultertasche, wo ich
sie im Notfall rasch erreichen konnte. Dann ging ich zu Snellings Tor und hielt
mich im Schatten des Zauns.
    Als erstes fiel mir auf, daß das
Gartentor offenstand.
    Ich blieb stehen, lauschte und gab ihm
einen leichten Stoß mit den Fingerspitzen. Es öffnete sich weit. Hinter den
unteren Fenstern brannte kein Licht. Ich ging auf das Haus zu.
    Auch die Haustür stand offen; die
Sicherheitskette hing am Türrahmen. Ich trat hinein, wartete, bis sich meine
Augen an das schwache Licht gewöhnt hatten, dann ging ich den Korridor entlang.
Das Wohnzimmer lag im Dunkeln, die Vorhänge waren geöffnet. Ich konnte die
Photos an den Wänden erkennen, die Chrom-und-Leder-Möbel, die Treppe ins obere
Stockwerk. Alles schien so, wie ich es kannte.
    Und dann sah ich, daß der Schreibtisch
neben dem offenen Kamin durchwühlt worden war. Die Schubladen waren
herausgezogen, ihr Inhalt lag auf dem Schreibtisch, auf dem Stuhl davor und auf
dem Boden verstreut. Eine Spur von Papieren führte von dort zur Treppe. Ich
lauschte, hörte nichts und entschloß mich, eine Lampe einzuschalten.
    Das Licht erfüllte den Raum, und jetzt
bemerkte ich auch, daß Bücher von einigen Regalen neben der Treppe genommen
worden waren. Sie lagen auf dem Boden, ein paar waren aufgeschlagen, als ob
jemand sie unachtsam durchgeblättert hätte. Noch immer hörte ich keinen Laut,
und obwohl ich nicht sicher sein konnte, fühlte ich, daß das Haus leer war.
Langsam ging ich die Treppe hinauf zum Studio.
    Dort war nichts zu sehen außer dem
Hocker in der Mitte des Raums. Ich warf einen Blick auf die Oberlichter und sah
ein paar Wolkenfetzen vor einem noch dämmrigen Himmel. Die Tür zur Dunkelkammer
stand offen; ich nahm meine Pistole heraus und ging darauf zu.
    In der Dunkelkammer war es
stockfinster. Alles, was ich hörte, war das Plätschern des Spülgeräts. Ich
tastete an der Tür und fand einen Schalter, schaltete ihn ein. Es war der Schalter
für das Rotlicht, und das Zimmer war sofort in roten Schein getaucht. Jetzt sah
ich das Vergrößerungsgerät, die Bassins aus rostfreiem Stahl, die Trockenpresse
und den Lichttisch. Zwei Abzüge schwammen mit der Vorderseite nach unten im
Spülbecken. Offenbar fehlte hier nichts.
    Oder doch? Ich fand einen anderen
Schalter, schaltete ihn ein und stand diesmal in weißem Licht.
    In der Bühne des Vergrößerungsgeräts
steckte ein Negativstreifen, mehr davon, in Plastik verpackt, lagen auf dem
Lichttisch. In einer Ecke befand sich ein Karteischrank, dessen Schubladen
offenstanden. In den Schubladen waren Umschläge mit Negativen und Abzügen;
einige der Schubladen waren auf den Boden gekippt worden. Also durchwühlt,
genau wie unten.
    Aber wo hatte sich Snelling aufgehalten,
als das geschehen war?
    Ich steckte meine Pistole ein, ließ das
Licht brennen und ging wieder nach unten, um mich im untersten Stockwerk
umzusehen. Als ich durch das Wohnzimmer kam, traf mein Blick auf ein
zerknülltes Photo, das mitten in einem unordentlichen Stapel von Kontoauszügen
lag. Es war feucht, als habe es eben noch im Spülbecken gelegen.
    Es war ein Photo von ›The Tidepools‹,
und es mußte an einem stürmischen Tag aufgenommen worden sein, denn am Himmel
waren dunkle Wolken, und die Bäume neigten sich vor einem starken Wind. Es war
ein unheimliches Photo und künstlerisch beeindruckend — aber ich konnte mir
nicht im entferntesten vorstellen, was es damit auf sich hatte. Nachdem ich es
einen Augenblick lang betrachtet hatte, ging ich wieder hinauf in die
Dunkelkammer.
    Die anderen Photos, die noch im Becken
schwammen, waren ähnlich, alle von ›The Tidepools‹ und an demselben stürmischen
Tag aufgenommen. Sie sagten mir nichts, ebensowenig wie die Photos, die auf dem
Boden lagen — Bilder von Sneliings Kunden.
    Schließlich ging ich zur Tür, schloß
sie, schaltete das Licht aus und fand dann den Schalter am Vergrößerungsgerät.
    Das Bild des Negativs, das auf der
Bühne lag, war auf dem Brett unter der Linse zu erkennen. Es war unscharf, und
ich stellte es scharf ein. Da es sich um ein Negativ handelte, gehörte einige
Erfahrung dazu, zu erkennen, wer die Leute waren, die es darstellte.
    Ein bärtiger, dunkelhaariger Abe
Snelling — Andy Smith, wie er sich damals nannte — stand da und umarmte zwei
Frauen. Die
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