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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors
Autoren: Lindsey Davis
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einst verguckt hatte. Der Bizeps wölbte sich gegen den engen Ärmel seiner Tunika, seine breiten Schenkel waren muskulös, und er hatte keinerlei Fett angesetzt. Ich hatte ihn schon zuvor gesehen. Er war der vierte Mann aus der öffentlichen Latrine, in der Caninus erst gestern gegen Fulvius gestichelt hatte.
    Zusammen verhielten sie sich so unverbindlich wie ein verheiratetes Paar. Sie würden erst später über alles reden, im Bett vermutlich. Ich zog es vor, nicht darüber nachzudenken.
    »Es ist ihm gelungen, mir zu entwischen«, murrte Cassius. Der Mann fürs Grobe in dieser Partnerschaft, der nicht viel dazu beigetragen hatte, uns zu helfen. »Ich habe eine Blutspur gefunden, die aus dem Heiligtum hinausführte, aber er ist irgendwie an mir vorbeigeschlüpft …«
    »Verdammte Amateure!« Ich war wütend. Zu meinen Füßen lag ein Scriptor, der auf das tapferste über seinen Aufgabenbereich hinausgewachsen war. Mutatus hätte mit Ehren in den Ruhestand gehen und nicht in übelster Weise erschlagen werden sollen – mit vier oder fünf stümperhaften Hieben –, nur weil diese zwei Unfähigen es nicht geschafft hatten, einen alternden, korrupten Attaché zur Strecke zu bringen.
    Fulvius und Cassius wechselten Blicke.
    »Ich verfolge ihn«, bot Cassius an.
    Ich stieß ihn beiseite. »Nein, ich übernehme das!«
    Aber es war nicht mehr nötig. Passus und eine Gruppe der Vigiles stürmten in den Schrein. Sie hatten bereits Männer auf die Suche nach Caninus geschickt, die ihm näher auf den Fersen waren, als es uns jetzt noch möglich gewesen wäre. Passus bückte sich und untersuchte die hinausführende Blutspur. »Ich setze einen Spürhund darauf an.«
    »Ihr wisst, dass wir hinter Caninus her sind?«
    »Brunnus hat es uns erzählt. Er hat es in Rom überprüft. Die Ravenna-Jungs wollten alles vertuschen, aber die großen Epauletten der Misenum-Flotte haben sie überstimmt. Die Jagd nach ihm läuft in großem Stil, doch du kennst ja Rubella. Er will, dass die Vierte den ganzen Ruhm absahnt.«
    Durch den Aufruhr der eintreffenden Vigiles hatte der Stier wieder zu brüllen begonnen. Ich konnte den Krach nicht mehr ertragen. »Dann muss die Vierte Caninus erst mal fassen …«
    »Du kennst uns, Falco!«
    Ich konnte mich entspannen. Die Experten übernahmen. Körperlich erschöpft und todtraurig stolperte ich nach draußen. Der Abend war wunderschön. Die egoistischen Götter schien unsere Tragödie nicht zu berühren. Ich kotzte auf die Stufen des Attis-Tempels, zum Entsetzen des Priesters.
    Onkel Fulvius beruhigte den Stier allmählich. Na ja, er war auf einem Bauernhof groß geworden.
    Sobald klar war, dass ich nicht mehr gebraucht wurde, ließ ich sie alle ohne ein Wort stehen und ging nach Hause zu meiner Frau und meiner Familie.

LXIII
    A m nächsten Morgen hielt Helena die Kinder ruhig, damit ich ausschlafen konnte, bis alle anderen gefrühstückt hatten. Als sie mich weckte, fühlte ich mich nicht gerade prächtig. Der grobe Versuch am gestrigen Abend, Salz, Blut, Schweiß und Dreck abzuwaschen, hatte nicht viel bewirkt. Ich war ausgeruht, aber angeschlagen und tief deprimiert.
    Helena wusste von allem, was passiert war. Ich hatte ihr mein Herz ausgeschüttet, bevor ich eingeschlafen war. Jetzt brachte sie mir Frühstück und erzählte mir dann, dass am Morgen ein Bote gekommen sei. Damagoras, immer noch in Rubellas Gewahrsam, bäte um meinen Besuch. Helena meinte, sie wisse, was er von mir wolle.
    »Während du dich mit den Jungs herumtreibst, Marcus, sitze ich allein zu Hause, umgeben von alten Notiztafeln. Ich hatte sogar schon über die Tafeln nachgedacht. Ich vermute, Damagoras möchte seine alten Tagebücher wiederhaben. Erinnerst du dich, dass du mir erzählt hast, wie sich Cratidas und Lygon über Literaturgespräche lustig gemacht haben?« Wenn sie das sagte, musste es wohl stimmen. Zu viel war in letzter Zeit passiert, als dass ich mich daran erinnern konnte. »Vielleicht hatte Damagoras Cratidas und Lygon gebeten, seine Aufzeichnungen zurückzuholen. Als dieser grauenhafte Sklave Titus hier bei Albia war, erzählte er, dass jemand nach den Tafeln gefragt hatte.«
    »Albia sagte, Titus sei verängstigt gewesen.«
    »Ja, Marcus, er hätte sich zu Tode gefürchtet, wenn er von Cratidas oder Lygon bedroht worden wäre.«
    Das schien alles so lange her zu sein. Aber ich wollte Diocles immer noch finden, und das sogar noch mehr, seit mir Mutatus’ Tod nicht aus dem Sinn ging. Mutatus hatte einen
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