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Das Geheimnis des Goldmachers

Das Geheimnis des Goldmachers

Titel: Das Geheimnis des Goldmachers
Autoren: Peter Hereld
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Kirchturmspitze erkennen, nein, gleich mehrere
und zu weit auseinander, um zu einer einzigen Kirche zu gehören. Entweder war
Hildesheim ein sehr frommer Ort oder weitaus größer als die tristen Siedlungen,
die sie durchquerten, seit sie vor einigen Wochen in Bremen ihr Schiff
verlassen hatten.
    Es sollte sich herausstellen, dass
beides zutraf.

     
    *

     
    Der Riese, der auf
den Namen Robert hörte, strich sich die schweren, wassertriefenden Locken aus
dem Gesicht und trieb sein Pferd an. Er wollte es seinem hadernden Kameraden
zwar nicht eingestehen, aber auch ihm setzte der nun schon seit Tagen währende
Dauerregen gehörig zu. Er war ein Berg von einem Mann und gewiss kein
Weichling, doch die vielen Jahre im fernen Afrika hatten selbst ihn das raue
Klima seiner Heimat vergessen lassen. So rasch wie möglich wollte er nun ins
Trockene, schnell, bevor ihm noch Kiemen wuchsen. Während er auf die
Befestigungsanlage der Stadt zuritt, dem armen Gaul seine Fersen in die Flanken
treibend, betrachtete er eine am linken Wegesrand liegende Siedlung. Der
Anblick dieser Kolonie außerhalb der Stadtmauern mochte schon bei Sonnenschein
öd und trostlos wirken, an einem regnerischen Tag wie diesem verwandelte sich
das Umland abseits der aufgeschütteten Straße in einen Morast, einem
Schweinepfuhl nicht unähnlich und an Tristesse kaum noch zu überbieten.
    Hundert Fuß voraus sah
Robert einen Knaben, zehn oder elf Jahre mochte er alt sein, der bis zu seinen
nackten Knien im Boden eingesunken war. Er drosch mit seiner Gerte auf ein
Schwein ein, um es auf festen Grund zu treiben, damit es nicht noch jämmerlich
ersoff. Das Tier jedoch, bis zum Halse im Morast steckend, vermochte sich ganz
offenbar keinen Zoll weit zu bewegen. Was für ein erbarmungswürdiges Bild.
Robert wollte gerade absteigen, um dem Jungen zu helfen, da öffnete sich unweit
der Verhau einer aus groben Baumstämmen zurechtgezimmerten Hütte, die
vielerorts noch nicht einmal mehr dem Vieh als Unterkunft genüge getragen
hätte. Heraus kam eine grobschlächtige, in einem derben Rock steckende Frau.
Mit vereinten Kräften schließlich hievten sie das Schwein in ihr armseliges
Heim.
    Traurig schaute ihnen Robert
hinterher, als unverhofft sein Begleiter neben ihm auftauchte.
    »Woher plötzlich diese unerwartete
Eile, Osman, kannst es wohl gar nicht mehr erwarten, ins Trockene zu gelangen?«
    »Es ist bloß dieser trostlose
Anblick, der mich vorantreibt. Doch sag, haben wir denn schon die Alpen
überquert und reiten auf Rom zu? Ich habe bereits acht Kirchen gezählt, nein,
gar neun.«
    Robert schaute verwundert zu
seinem Freund, gleich darauf wieder in Richtung Stadt: »Bist du sicher, dass es
neun sind? Ich komme nur auf acht.«
    »Da du ausreichend Finger an deinen
Händen hast, will ich es auf dein schwächeres Augenlicht schieben«, antwortete
ihm Osman Abdel Ibn Kakar, so der Name des Hageren. Er grinste amüsiert.
Angesichts der nahenden Stadt mit ihren verlockenden Annehmlichkeiten besserte
sich seine Laune zusehends. »Den Turm der neunten Kirche findest du ganz
hinten, in Richtung der untergehenden Sonne, sollte sie sich denn jemals in
dein Land verirren.«
    Robert schüttelte den Kopf.
    »Siehst du, entlang meiner Hand
musst du schauen, hinter den Befestigungen auf dem Hügel am Horizont, dort
kommt durch den Dunst ein Kirchturm zum Vorschein.«
    Robert kniff kurz die Augen
zusammen, dann sah auch er die Sankt-Mauritius-Kirche auf dem Moritzberg
westlich der Stadt. In einer freundschaftlich anmutenden Geste legte er seine
schwere Hand auf Osmans Schulter und bedankte sich laut und vernehmlich,
allerdings nicht, ohne dessen Schal einmal kräftig zusammenzudrücken. Während
Osman das eiskalte Wasser in Strömen den Rücken hinablief, verfluchte er
nacheinander Robert, das hiesige Wetter und seine eigene, vorschnelle Zunge.

     
    *

     
    Es ging schon auf
Mittag zu, als die beiden im Nordosten der Stadtbefestigung vor einem mächtigen
Tor zum Stehen kamen.
    Die Mauer links und rechts davon
war ungefähr zwanzig Fuß hoch, aus hellen, grob in eine rechteckige Form
gemeißelten Steinen. Sie wirkte äußerst wehrhaft und machte auf Ankömmlinge,
wenn sie wie die beiden direkt davor standen, einen sich ins Unendliche
verlierenden Eindruck. Das Tor selbst überragte die Mauer um weitere zehn Fuß
und maß ebenso wie in der Höhe auch in der Breite ungefähr deren dreißig,
sodass es, nahezu quadratisch also, durch diese kompakte Form auf den
Betrachter sehr
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