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Das Geheimnis des Goldmachers

Das Geheimnis des Goldmachers

Titel: Das Geheimnis des Goldmachers
Autoren: Peter Hereld
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desto mehr wusste ich, dass ich
mich nicht fürchten müsste, sondern dass mit ihm Schritt um Schritt die
Erlösung nahte, und ich meine nicht nur die Erlösung aus meiner damals als so
misslich empfundenen Lage. Groß war er, der Fremde, von erhabener, schlanker
Gestalt, die Haut so rein und weiß wie Schnee. Wäre nicht sein Bart gewesen,
ziemlich nachlässig gewachsen und schon lang nicht mehr vom Barbier kupiert,
und sein Wams, ärmlich und zerschlissen, so hätte ich geschworen, dass vor mir
ein Mann von edelstem Geblüt stände. Am meisten bewegten mich seine Augen –
blau waren sie und heller als der Himmel am Mittag. Sein Antlitz, sein ganzes
Wesen strahlte eine unglaubliche Ruhe und Wahrhaftigkeit aus. Pochte mein Herz
soeben noch rasend vor Furcht, so war es nun erfüllt von einem in dieser
Vehemenz nie zuvor empfundenen Vertrauen. Und dann sagte er zu mir, ich solle
mich nicht fürchten, gemeinsam würden wir den rechten Weg schon finden. So
gingen wir einmütig durch den Wald und er sprach zu mir wie zu einem Mann.
    Aus dem fernen Jerusalem
käme er, sagte der Fremde zu mir.
    Vor etlichen Jahren sei er
gemeinsam mit den vielen anderen Tausend losgezogen, um die Heilige Stadt zu
befreien, fuhr er fort. Unendliches Leid und Elend habe er erfahren müssen, und
viele Grausamkeiten wurden ihm gewahr, beileibe nicht nur verübt von den
Ungläubigen. Die meisten der Kreuzzügler wären nur noch gewissenlose Halsabschneider
– nicht mehr dem Allmächtigen, sondern einzig ihrem eigenen Profit dienlich. So
jedoch kämpften sie ohne Gottes Segen und somit auch ohne Aussicht auf
Gelingen. Auf die Einnahme Jerusalems käme es den meisten ohnedies nicht mehr
an, viele machten derweil gemeinsame Sache mit den Orientalen, und die
Skrupellosesten unter ihnen schändeten Seite an Seite mit dem eigentlichen
Feind die Heiligen Stätten, sie wagten es gar, sich über den Gebeinen des
Messias zu erleichtern, und sie spotteten über ihn, und sie taten sogar noch
viel schlimmere Dinge, die für die Ohren einer reinen Knabenseele beileibe
nicht geeignet seien.«
    Bei diesen Worten schließlich
begann der Fremde, sei es dem Zorn, der Scham oder einem Gefühl der Ohnmacht
geschuldet, bitterlich zu weinen, und auch ich, ebenfalls überwältigt von einer
Vielzahl widerstreitender Empfindungen, vergoss reichlich Tränen. Da sah mich
der Fremde an, und mein Anblick schien ihm wieder Mut zu machen, denn nun
lächelte er. Damals, im Jahre 1099, als die Herren Ritter noch reinen Herzens
und besten Willens waren, da wurde Jerusalem schon einmal unser, sagte der
Fremde. Es gelang, weil sie mit Gottes Segen kämpften und so manifestierten
Gottfried von Bouillon und seine Mitstreiter die Ansprüche des Abendlandes. Es
bedarf also keiner kühnen Klinge, um zurückzuerhalten, was unser ist, sondern
nur einer Seele von gottgefälliger Frömmigkeit.
    Da küsste er meine Stirn und
sprach: »In dir, lieber Nikolaus, habe ich endlich diese Seele gefunden!«
    Ich erschrak zutiefst und wich zurück.
»Woher kennt Ihr meinen Namen?«, fragte ich ängstlich.
    »Aber erkennst du mich noch immer
nicht, Nikolaus von Cölln?«, antwortete er. Und dann zeigte er mir seine Hände,
und er schlüpfte aus seinen Schuhen und zeigte mir seine Füße, und ich erblickte
die Stigmen an seinen Händen und an seinen Füßen.
    »Ich bin es, Jesus von Nazareth,
der zu dir spricht«, sagte er, doch das war unnötig, in der Tat, ich wusste es
schon, als er aus dem Wald zu mir trat.
    Ich warf mich auf den Boden und
bat beschämt um Vergebung ob meiner Blindheit, doch der Erlöser tröstete mich
mit sanften Worten und verzieh mir sogleich. Dann sprach er folgende Worte:
»Nikolaus von Cölln, ich übertrage dir die Aufgabe, die Heilige Stadt Jerusalem
wieder dem Christentum zu überantworten. Schare wahre Christen und Kinder um
dich, welche ebenso wie du reinen Herzens sind und fürchte dich nicht, denn ich
werde mit euch sein.«
    »Gern will ich alles tun, was Ihr
mir befehligt, Herr, doch sagt, wie sollen wir den Weg bewältigen und das Meer
überqueren?«, wagte ich, zitternd und starr vor Ehrfurcht, zu erwidern.
    »Nehmt die Straße über die Alpen
nach Genua. Hilfe wird euch zuteil werden auf all euren Wegen und abnehmen will
ich euch Mühsal und Pein. In Genua schließlich wird das Meer sich teilen und ihr
werdet trocknen Fußes die Küste Afrikas erreichen. Die Kunde jenes Wunders wird
eurem Zug vorauseilen wie Donnerhall und läutern die Seelen der
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