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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin
Autoren: Lea Korte
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»Und unser Verbandszeug. Jaime, halte die Wundränder zusammen! Und rede mit Yayah, hörst du? Du musst mit ihm reden!«
    Zahra überließ ihm ihren Platz, warf einen raschen Blick auf Tamu, sprang auf – und erst da wurde ihr bewusst, dass die Kräutertasche auf dem Wagen war, den die Kastilier geraubt hatten. »Jaime, ich … meine Heilkräuter!« Ihr schwindelte.
    »In meinem Lederbeutel«, presste Tamu hervor. »Wurzeln und Kräuter. Nehmt sie für Yayah! Und eine Nadel …«
    Zahra bückte sich und sah in dem Lederbeutel nach, den Tamu stets unter ihrer Tunika trug. Unter anderem fand sie darin aus dem Norden stammenden Beinwell, Wurzelstücke und tatsächlich eine Messingnadel samt einer feinen Knochensehne zum Nähen von Wunden. Im gleichen Moment schlich Maria mit ihrem Kind aus dem Wald.
    »Maria, Gott sei Dank, dass euch nichts fehlt! Komm, du musst mir helfen. Mach heißes Wasser und einen Brei aus Beinwell!«, befahl sie der Dienerin und drückte ihr die Kräuter in die Hand. Sie sah noch einmal zu Yayah, dessen Kopf leblos zur Seite hing, und gewahrte aus den Augenwinkel Abdarrahman. Genau wie Khadidscha hatte auch er sich unter einem Busch verborgen. Sein Gesicht war weißer als die Bergspitzen der Sierra Nevada, doch er schien unverletzt. Ihr Blick ging zurück zu Jaime.
    »Lass mich nach deinem Arm sehen!«
    »Das ist nichts, das kann warten«, brummte Jaime. »Kümmere dich erst um die anderen!«
    Zahra lief zu einem verletzten Geleitsoldaten. An dessen Unterarm klaffte eine tiefe Wunde. Sein Kamerad hatte schon einen Stoffstreifen gerissen, um ihm den Arm abzubinden, weswegen Zahra gleich weiter zu einem ihrer Diener eilte. Dessen Kopfverletzungen waren so schwer, dass sie nur noch eines für ihn tun konnte: Sie nahm seine Hand und betete: »La ilaha illa llah.« Es gibt keinen Gott außer Gott. »Und Mohammed ist sein Prophet.«
    »La ilaha illa llah«, stöhnte der kaum dreißigjährige Mann und schenkte ihr ein letztes, dankbares Lächeln. Er wusste, dass ihm mit diesen Worten der Weg in den Paradiesgarten geebnet war.
    Der Geleitsoldat, der nicht weit von ihm lag, hatte ein gebrochenes Bein, ein anderer eine Armverletzung. Auch der Rückenwunde eines Dieners gönnte Zahra nur einen kurzen Blick, denn sie hatte fast schon aufgehört zu bluten. Ein wenig abseits lagen zwei Tote: ein Geleitsoldat mit aufgeschlitzter Kehle und ein Diener mit zahllosen Stichwunden. Danach kam sie zu einem Diener, der mehrere Rippenbrüche hatte und kaum mehr atmen konnte. Daneben wälzte sich ein Geleitsoldat mit einem zerfetzten Unterschenkel in grässlichen Schmerzen. Rasch band Zahra den Unterschenkel ab und gab einem nur leicht verletzten Diener Anweisungen, was er weiter tun sollte. Ihr war längst klar, dass sie viel, viel mehr Heilkräuter brauchte, als sie in Tamus Ledersäckchen finden würde: gegen die Schmerzen, zur Wundheilung, gegen Fieber … Wenigstens die anderen Geleitsoldaten und Diener, die sie jetzt noch untersuchte, hatten nur leichte Verletzungen.
    Zahra eilte zurück. Maria hatte inzwischen das Wasser gekocht und den Beinwellbrei angesetzt. Auch Zainab, Mahdi, Deborah, ihre Kinder und die anderen Diener kehrten langsam aus dem Wald zurück. Deborah weinte lautlos und drückte ihren Jüngsten an sich. Und schließlich preschte Raschid auf einem Schimmel heran und zerrte einen Rappen hinter sich her. Sofort überließ Jaime die Fürsorge Yayahs einer Dienerin und schwang sich aufs Pferd. Mit brennenden Augen sah Zahra ihnen nach, bis der Wald sie verschluckte, dann beeilte sie sich, den Frauen zu zeigen, wie sie ihr beim Versorgen der Verletzten helfen konnten, und bat ihre Schwester, sich um Abdarrahman zu kümmern, der noch immer unter dem Busch kauerte.
     
    Mit den Jahren hatte Zahra von Tamu vieles über das Sammeln und die Verwendung von Kräutern gelernt, und obwohl ihr die Gegend fremd war, fand sie einen guten Teil dessen, was sie brauchte, und kam schon wenig später mit Heilkräutern, Wurzeln und Rinden zurück. Sie wies Maria an, noch mehr Wasser zu kochen, versorgte Tamus Wunde mit dem von Maria vorbereiteten Breiumschlag, schiente das gebrochene Bein eines Dieners – und hatte dann keine Ausflüchte mehr: Sie musste Yayahs Wunde nähen.
    Zahra biss die Zähne zusammen, holte die leicht gebogene Messingnadel aus Tamus Lederbeutel, erhitzte sie im Feuer, fädelte anschließend die Tiersehne ein und bat Khadidscha, das Tuch von Yayahs Wunde zu nehmen. Ihr einziger Trost war,
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